«Wenn der Mensch ein Ebenbild Gottes ist, dann ist jede Verletzung eines Mitmenschen eine Sünde». Andreas Krummenacher. Foto: Ruben Sprich
Verrat oder Verleugnung
Im Beichtstuhl: Andreas Krummenacher
Andreas Krummenacher, Chefredaktor des «pfarrblatt» Bern beantwortet Fragen rund um Schuld und Vergebung.
Interview: Sylvia Stam
Wie würdest du «Sünde» definieren?
Wenn der Mensch ein Ebenbild Gottes ist, dann ist jede Verletzung eines Mitmenschen eine Sünde. Das kann eine geistige, seelische oder körperliche Verletzung sein.
Für welches Verhalten schämst du dich bis heute?
Ich war 2018 auf einer Journalist:innenreise in den Irak. In einer Pfarrei in Kirkuk erzählten uns christliche Einwohner:innen, was ihnen im Irakkrieg widerfahren war. Traumatisierende Erlebnisse etwa mit IS-Schergen. Allerdings war der Irakkrieg 2018 in den Medien kein Thema mehr. Zum Abschluss umarmte mich ein älterer Mann, er hatte rötliches Haar, ein zerfurchtes Gesicht. Er bedankte sich dafür, dass ich seine Geschichte nun in die Welt hinaustragen würde. Ich war in dem Moment überfordert. Seine Geschichte habe ich nicht in die Welt getragen, das nagt an mir.
Welche «Sünde» kannst du nur schwer verzeihen?
Verrat oder Verleugnung. Ich finde es höchst irritierend, wenn ich durch die Stadt laufe und jemandem zunicke, den ich kenne, und die Person tut, als hätte sie mich nicht gesehen. Das ist Verleugnung auf ganz kleinem Niveau. Ich kann das verzeihen, aber ich verstehe es nicht.