Sylvia Stam ist Redaktorin beim «pfarrblatt». Foto: Roberto Conciatori

Vom Geschenk der Vergebung

28.12.2023

Editorial der aktuellen Ausgabe von Sylvia Stam

Ich war in der dritten Primarklasse, als meine Klassenlehrerin jeweils donnerstags fragte: «Wer war letzten Donnerstag beichten?» Meine Lehrerin war eine Ingenbohler Schwester. Wer ihre Frage bejahen konnte, stand auf. Ebenso jene, die zwei oder drei Wochen zuvor ihre Sünden in dem Kabäuschen mit Vorhang und Gitterchen bekannt hatten. Alle übrigen waren angehalten, direkt nach der Schule beichten zu gehen.

Ich war ein braves Kind. Ich wusste kaum, was ich jeden Monat hätte beichten sollen. Vielleicht hatte ich deshalb die Frechheit aufzustehen, obschon ich mir nicht sicher war, ob meine letzte Beichte erst drei oder schon vier Wochen her war. Schuldgefühle hatte ich dabei keine.

Es ist schade, dass kirchliche Vertreter:innen mit solchem Verhalten dazu beigetragen haben, dass ein Ritual aus der Mode geraten ist, das eigentlich ein Geschenk sein könnte. Das Geschenk, mit Gott Vergebung zu feiern, wie Matthias Neufeld im Interview formuliert. Fragen rund um Schuld und Versöhnung bleiben jedoch aktuell. Deshalb widmen wir ihnen in diesem Jahr eine kleine Interviewserie unter dem Titel «Im Beichtstuhl».

Hier erfahren Sie in jeder Ausgabe, wie unterschiedlich Menschen den Begriff «Sünde» definieren, welche Schuld bis heute an ihnen nagt oder für welches Verzeihen sie besonders dankbar sind. Auch Ihnen wünschen wir für das neue Jahr, dass Sie immer wieder das Geschenk der Vergebung erfahren mögen, sei es in der Beichte oder in der direkten Begegnung.