Anton B. Zaugg setzt sich seit seiner Kindheit für die Katholische Kirche und ihre Seelsorge ein. Foto: Pia Neuenschwander
Von der Mündigkeit der «Laien»
Anton B. Zaugg, der Präsident des Kleinen Kirchenrates der Gesamtkirchgemeinde Bern, tritt auf Ende Dezember zurück.
Sein ganzes Leben lang war der abtretende Präsident des Kleinen Kirchenrates der Gesamtkirchgemeinde Bern, Treuhänder Anton B. Zaugg, für Katholisch Bern tätig, als Pfadiführer, Kirchenchorpräsident, Mitarbeiter der Verwaltung, Finanzminister und Präsident des Kleinen Kirchenrates. Er überblickt 70 Jahre Katholisch Bern.
«pfarrblatt»: Wie hat Ihr Kirchenengagement angefangen?
Anton Zaugg: Das hat schon als Kind begonnen. Ich bin in der Elfenau in Bern aufgewachsen. Zuerst mussten wir von dort zu Fuss in den Religionsunterricht in die Dreifaltigkeitskirche. Sie war damals unsere Pfarrei. Später konnten wir in die Nuntiatur in den Gottesdienst. Dann kam das Projekt Kirche Bruder Klaus, 1952, damals war ich 11-jährig. Der Religionsunterricht wurde ins Quartier verlegt, ins Sonnenhof- Schulhaus.
Waren Sie zu diesem Zeitpunkt schon freiwillig engagiert?
Ich war Pfadiführer. In den 1970iger-Jahren leitete ich das «Windrösli» mit über 1000 Jugendlichen. In der Pfarrei war ich Ministrant und später Zeremoniar bei Pfarrer Flury. In einem Ferstgottesdienst wirkten 15 Ministranten mit, gemeinhin genannt das «Flury-Ballett».
Wann wurde die Kirche Bruder Klaus eingeweiht?
1954. Da war eine Grundbegeisterung in der ganzen Pfarrei spürbar, ja von ganz Katholisch Bern. Diese Grundbegeisterung fehlt heute, ich vermisse sie. Damals sagte der Pfarrer, was er brauchte, und man fand immer Freiwillige aus der Pfarrei, die diese Dienste übernahmen, oder für die Ausstattung der Pfarrei erfolgte ein Spendenaufruf, der nie ungehört blieb.
Warum ist das heute vorbei?
Das hängt mit der ganzen Krise der Kirche generell zusammen, mit den Reformblockaden, mit dem Pflichtzölibat, mit dem Regierungsstil gewisser Päpste. Die Jungen haben sich damals verabschiedet, jetzt fehlt uns diese Generation weitgehend. In den fünfziger Jahren war keine Kritik am Stil der Kirche möglich? AmSonntag besuchte man einfach die Messe, das wurde damals nicht hinterfragt. Und wenn ich mich mal über den Pfarrer oder seine Predigt kritisch geäussert habe, sagte meine Mutter, das ist der Herr Pfarrer, da wird nicht gelästert.
Wie kamen die Reformen des II. Vatikanischen Konzils an?
Die kamen bei mir erst mit der Liturgiereform an, als der Priester nicht mehr mit dem Rücken zu den Gläubigen die Messe feierte. Es wurden Pfarreiräte gegründet, wobei unser Pfarrer erklärte, er brauche so etwas nicht, wenn die Pfarrei dies wünsche, solle sie sich selber organisieren. Er mache weiterhin, was er für richtig halte.
Und für Sie persönlich? Hatten die Reformen eine Bedeutung?
Ja. Das Betonen der Mündigkeit der Laien war mir persönlich wichtig geworden, wirkte wie eine Befreiung. Man musste nun nicht mehr regelmässig am Samstag beichten gehen und die sogenannte Sonntagspflicht bestand plötzlich auch nicht mehr. Ich fühlte mich mündig und konnte nun selber Verantwortung übernehmen. Das war für mich schon entscheidend.
Wie begann ihr Engagement für die Verwaltung der Gesamtkirchgemeinde?
1964 arbeitete ich bei einer Versicherung in Bern. Der damalige Kirchmeier – heute ist das der Verwalter – Werner Bickel fragte mich an, ob ich mir vorstellen könnte, für die Kirche zu arbeiten. Eigentlich wollte ich absagen und stellte eine entsprechend hohe Lohnforderung. Überraschenderweise entsprach die Verwaltung meiner Forderung und ich konnte nicht mehr zurück. Ich arbeitete darauf acht Jahre in der Verwaltung, wurde Stellvertreter des Kirchmeiers und hatte die Finanzen, das Personal und den Bau unter mir. Damals hatten wir ein Budget von 8–9 Millionen Franken. Der Kleine Kirchenrat war damals noch die Verwaltungskommission.
In diese Zeit fiel auch der Bau der Heilig- Kreuz-Kirche, Tiefenau.
Ja, ich weiss noch, dass wir mit dem Architekten Walter M. Förderer über die damals noch fast unbekannte Bauweise in Beton diskutiert haben und dieser versicherte, Beton sei für die Ewigkeit gebaut. Seither hat die Gesamtkirchgemeinde über eine halbe Million Franken in die Betonsanierung investieren müssen! 1973 wurde Werner Bickel pensioniert und ich bewarb michumdie Stelle. Gleichzeitig gab ich unbezahlten Urlaub ein, weil ich vor dem möglichen Stellenantritt noch eine Reise nachAmerika plante. Im September 1972 begann die Reise, damit ich dann im Sommer, auf den Antritt der Stelle, wieder zurück wäre.
Wäre?
Mitten auf der Reise war in der an die jeweilige Botschaft geleitete Post auch ein Brief aus Bern dabei. Darin teilte mir Hans Rudolf Schaffner mit, er sei als Nachfolger vonWerner Bickel zum neuen Verwalter gewählt worden, und ob er nach meiner Rückkehr weiterhin mit mir als Mitarbeiter rechnen könne. Ich schrieb postwendend zurück und – kündigte. Ich liess mir die Pensionskasse auszahlen und reiste darauf mit dem Geld noch über ein Jahr weiter durch Nord- und Südamerika. Als ich 1974 zurückkam, stieg ich ins Treuhandgeschäft ein. Später wurde ich in die Finanzkommission der Gesamtkirchgemeinde berufen. Da blieb ich dann bis 2003 Mitglied.
2003 wurde für die damalige Präsidentin des Kleinen Kirchenrates, Monika Füglister, eine Nachfolge gesucht.
Um die Nachfolge bewarben sich zwei Mitglieder aus dem Kleinen Kirchenrat. Aus der Kampfwahl ging Josef Durrer als klarer Sieger hervor. Der dabei unterlegene Finanzchef trat zwei Monate später zurück. Darauf kam die Anfrage an mich, ob ich mir eine Mitarbeit im Kleinen Kirchenrat vorstellen könnte. Zuerst habe ich abgesagt. 2003 war mein Pensionsjahr. Ich plante, einen Hund zu kaufen und kürzer zu treten. Ich liess mich dann doch überzeugen. Ein positiver Schritt für diese Entscheidung war auch, dass alle Beteiligten meine eingetragene Partnerschaft akzeptierten. ImNovember 2003 wurde ich in den Kleinen Kirchenrat gewählt. Mein Hund hiess nun fortan «Frohberg»! Sieben Jahre war ich Finanzminister, 2011 trat Josef Durrer altershalber zurück und ich kandidierte für seine Nachfolge.
Was hat Sie am Präsidium der Exekutive gereizt?
Ich war vier Jahre Vizepräsident, ich leite gern, das war schon früher so. Ich freute mich auf die Herausforderung.
Was war die innere Motivation?
Die katholische Kirche hat mir viel gegeben. Ich bin ein Berner Katholik, lebte immer in einem ungestörten ökumenisches Klima, wurde nie wegenmeines Katholischseins geplagt. Mir war immer auch wichtig, zu fragen, was ich für die Kirche tun kann, weniger die Frage, was die Kirche für mich tun kann. Ich bin in der katholischen Kirche einfach zu Hause.
Was waren Ihre Highlights in der Amtszeit als Präsident des Kleinen Kirchenrates?
Ein wichtiges Projekt ist sicher das Haus der Religionen.Wenn die Verantwortlichen der beiden Gesamtkirchgemeinden – der reformierten und der katholischen Kirchen – nicht im entscheidenden Zeitpunkt je eine Million beigesteuert hätten, wäre das Projekt vielleicht gescheitert. Dann ist aber auch die Innensanierung der Kirche Dreifaltigkeit mit der neuen künstlerischen Gestaltung zu erwähnen, daneben auch der Kauf des Hauses der Studierendenseelsorge aki, das mit dem Erlös aus dem Verkauf des Hotels Arabelle finanziert werden konnte. Aktuell ist der geplante Bau eines Mehrfamilienhauses in Bümpliz auf dem Areal des bisherigen «Perler-Hauses».
Die Seelsorgenden verlangen immer wieder einen sozialeren Einsatz der Gelder.
Hier brauchen wir uns nicht zu verstecken. Die Gesamtkirchgemeinde investiert jährlich eine halbe Million für weltweite soziale Entwicklungsprojekte. Die Aufwendungen für die direkte Seelsorge, für Jugendarbeit und ganz besonders im Sozialbereich bewegen sich in Millionenhöhe. Wir spenden aktuell der Caritas 35000 Franken für die Direkthilfe an die Opfer im Erdbebengebiet in Italien.
Was hat Sie getragen in allen Ihren Aufgaben?
Mir war die gute Zusammenarbeit zwischen und in den Gremien von grosser Wichtigkeit. Besonders das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative war mir wichtig, genauso wie die Zusammenarbeit mit der Verwaltung. Jetzt kann ich sagen, das Haus ist wohlbestellt. Ich kann mit gutem Gewissen abtreten.
Und nun, was sind Ihre persönlichen Pläne?
Ich werde mich weiterhin in meiner Pfarrei engagieren. Wir haben im Berner Osten viele Altersheime, ich werde Besuche machen und administrative Hilfe anbieten, wenn die jemand nötig hat.
Anton Zaugg, herzlichen Dank für das Gespräch.
Interview: Andreas Krummenacher / Jürg Meienberg