Unter Christoph Schulers Händen sind über 1000 historische Holzblasinstrumente entstanden. Foto: Pia Neuenschwander
Von ellenlang bis mannshoch
Mit Pommern und Ranketten: historische Holzblasinstrumente
Bassanello, Douçaine, Krummhorn – historische Holzblasinstrumente wie diese sind heute fast vergessen. Bald werden sie mit weiteren in einem Konzert in Langenthal erklingen. Christoph Schuler hat in seinem Atelier «all'antica» viele dieser Instrumente selbst gebaut.
Von Anouk Hiedl
Im Langenthaler Atelier «all’antica» lässt sich etwas von Meister Geppettos Herzblut für Pinocchio erahnen. Statt vor Marionetten steht man hier beim Eintreten auf einen Schlag vor unzähligen, sorgfältig gearbeiteten, sauber aufgereihten Holzblasinstrumenten. Gerade oder krumm, schmal oder bauchig, die kürzesten ellenlang, die längsten mannshoch, muten manche urtümlich oder fremdartig an. Alle haben mindestens sechs Fingerlöcher, einige sind zusätzlich mit Klappen und Anblasrohren versehen.
Farben- und Formenvielfalt
Die Farbpalette reicht von hellem Ahornholz über warme Fruchthölzer bis hin zu Schwarz, denn einige der Zinken hat Christoph Schuler, ihr Erbauer, mit dunklem, gegerbtem Leder überzogen. Der Name dieser Instrumente leitet sich vom mittelhochdeutschen «zinke» für Zacke, Spitze oder Zahn ab. Christoph Schuler lässt eine Melodie erklingen. Der helle, laute Klang erinnert an ein Horn. «Zinken werden wie eine Trompete geblasen, ihr Mundstück ist jedoch viel kleiner. Sie haben sechs bis sieben Grifflöcher, sind also eine Art Mischung aus Blockflöte und Trompete, sogenannte Grifflochhörner», erläutert er. Es sind krumme, gerade und stille Zinken zu sehen, letztere klingen etwas leiser. «Um 1600 gehörten Zinken und Posaunen in Venedig, Wien, Paris und London zu den beliebtesten und leistungsfähigsten Instrumenten», erklärt Christoph Schuler.
Bis zu zwei Meter lang
Im Atelier sind einige rund zwei Meter lange Instrumente nicht zu übersehen. «Der Basspommer ist der King jedes Renaissance-Consorts», sagt Christoph Schuler schmunzelnd. «Sie geben grossen oder lauten Besetzungen, zum Beispiel mit Zinken und Posaunen, einen soliden Boden.» Auch ein kurzes, dickes Instrument fällt auf. Es lässt sich mit keinem zeitgenössischen Instrument vergleichen: das Rankett. Ganz unerwartet entlockt ihm Christoph Schuler brummend-tiefe Töne. «Im Inneren dieses Vorläufers des Fagotts verbirgt sich ein neunmal so langes Rohr.» Diese enge, verwinkelte Bohrung bedingt eine spezielle Griffweise. «Elf Löcher müssen mit zehn Fingern gedeckt werden», erklärt Christoph Schuler und zeigt, wie auch die Innenglieder der Zeigefinger im Einsatz sind.
Rekonstruktion nach historischen Vorbildern
Christoph Schuler hat alle rund 100 Blasinstrumente, die im Atelier zu sehen sind, nach historischen Vorbildern rekonstruiert. Ursprünglich hat er Fagott gelernt. Vor 40 Jahren stiess er über einen Musikerkollegen auf den Zink. Da die Instrumente «mehr schlecht als recht» klangen und Christoph Schuler als Gymnasiallehrer für Gestaltung über ein gutes Auge und handwerkliches Geschick verfügte, machte er sich daran, einen besseren Zink zu schnitzen. Er besuchte Workshops, lernte Schalmei, Dulzian und weitere historische Instrumente spielen und begann, diese auch selbst zu bauen. Pläne dafür gab es nicht. So orientierte er sich unter anderem an erhaltenen und nachgebauten Instrumenten und an Illustrationen und Instrumentenbeschreibungen aus der Renaissance- und Barockzeit.
Mit der Zeit «wollten andere auch so was» und erste Bestellungen kamen. 2005 nahm sich Christoph Schuler eine sechsmonatige Auszeit, richtete sich sein Atelier «all’antica» mit Drechsel- und Bohrtisch ein. Mittlerweile hat er über 1000 historische Holzblasinstrumente gebaut, registriert und nummeriert. Das Abschiedskonzert, das er zu seiner Pensionierung als Gymnasiallehrer organisiert (siehe Kasten), ist auch für ihn etwas Besonderes: «Ich spiele jedes dieser Instrumente. Alle zusammen habe ich sie aber noch nie gehört.»
«all’antica»: unerhörte Klänge und vergessene Instrumente
Konzert mit geistlicher und weltlicher Musik vom Mittelalter bis Barock, z. B. Ausschnitten aus Orlando di Lassos Busspsalmen und Claudio Monteverdis Marienvesper. Mit historischen Holzblasinstrumenten: u. a. Bassanello, Douçaine, Dulzian, Krummhorn, Pommer, Rankett, Schalmei, Serpent, Traverso und Zink. Viele davon stammen aus dem Atelier «all’antica».
Zum Programm
Konzept und Leitung: Christoph Schuler
Samstag, 25. Juni, 17.00: Katholische Kirche, Schulhausstr. 11, Langenthal. Eintritt frei (Kollekte).