Die Kirche Tahmazgerd oder «église rouge». Foto: kr
Von Krieg und Klimawandel
Eine Reise in den Nordirak zeigt auf, weshalb Menschen fliehen
Die Lebensbedingungen der Menschen im Nordirak sind erschwert durch Kriege, Konflikte und lebensfeindliche Trockenheit. Die Anteilnahme an dieser problematischen Situation ist hierzulande gering.
Kommentar: Andreas Krummenacher
Vor fünf Jahren reiste ich in den Nordirak. Nie werde ich den Besuch in der roten Kirche in Kirkuk vergessen. Wir besuchten dort einen chaldäischen Gottesdienst. Das war alles sehr feierlich und orientalisch. Nach dem Gottesdienst sprach sich beim Apéro herum, dass europäische Journalist:innen anwesend sind. Ein alter Mann kam auf mich zu und klagte in gebrochenem Englisch sein Leid. Er fügte an: «Sie kommen aus der Schweiz extra hierher, sie nehmen sich die Zeit, nur um mit uns zu sprechen, unsere Situation zu sehen. Es ist eine Ehre.»
Am nächsten Tag begleitete uns ein junger Reiseführer nach Mossul, das antike Ninive. Er erzählte von Krieg und Trockenheit. Seit Jahren habe es nicht mehr geregnet. Die Kühe mussten geschlachtet werden, die weitherum bekannten Joghurtrezepturen aus Erbil wurden in die Türkei verkauft. Der Wiederaufbau nach den IS-Plünderungen und dem Krieg komme nicht voran. Er wolle nur noch weg.
Auf der ganzen Reise begegneten mir Menschen, die wegen Konflikten, Krieg und Klimawandel nach Europa oder in die USA fliehen wollten. Es war für mich beschämend. Was sollte ich sagen? Dass uns in der Schweiz das Schicksal der Menschen im Irak kalt lässt, dass viele Menschen hier keine Flüchtlinge wollen? Hätte ich ihnen vom Frieden und Wohlstand erzählen sollen und dass wir das eigentlich nicht teilen wollen?
Der schönste Satz der Kirchen zum Flüchtlingssonntag und Flüchtlingsschabbat am 17./18. Juni 2023 lautet: «So sind vor Gott alle Menschen gleich und alle haben dieselbe Würde unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft, ihrer Nationalität und ihrer Religion.»
Mehr zum Thema:
Nicht vergessen, aber verzeihen. Eine Reise in den Nordirak und in die Ninive-Ebene. von Andreas Krummenacher, 2018. Fotodokumentation zur Reise.
Flüchtlingssonntag und Flüchtlingsschabbat 2023. Schweizerische Bischofskonferenz, April 2023