Judah Ben-Hur und seine Frau Esther. Foto: zVg
Wagenrennen mit Mutter Teresa
Was verbindet die Heilige mit Ben Hur?
Die neue Verfilmung des Klassikers Ben-Hur findet bei den Kritikern keine Gnade und fällt durch. Auch die Heiligsprechung Mutter Teresas sorgt für Kritik. Beides ist überzogen. Was aber verbindet Mutter Teresa mit Ben Hur?
«Rache ist so laut. Letztlich aber gibt es nur einen Ausweg – Barmherzigkeit!» Andra Day singt diese Zeilen im Abspann des Films Ben Hur, der momentan in den Kinos läuft. Der Film sei schlecht inszeniert, die Schauspieler blass, der russische Regisseur Timur Bekmambetow füge dem Stoff nichts Innovatives, nichts Neues, nichts Eigenes hinzu. Die Journalisten sind unerbittlich. Die Kritiker verkennen, dass der Regisseur mit einer unfassbar innovativen Bildsprache aufwartet. Das unvermeidliche Wagenrennen oder das Leben der Ruderer auf einer römischen Galeere sind so superrealistisch abgebildet, das hat man bis dato noch nicht gesehen. Bekmambetow versteht aber auch die leisen, die feinen Szenen. Bei der Wiedervereinigung Judah Ben-Hurs mit seiner Frau Esther im grauen, winterlichen Jerusalem, umkreist die Kamera das Liebespaar ganz nah, leicht verwackelt, unaufhörlich. Die Leidenschaft, der Atem, die Körperlichkeit und gleichzeitig die Liebe werden dadurch gleichsam spürbar. Verschiedentlich scheinen die Darsteller zudem mit Körperkameras ausgerüstet worden zu sein. Fesselnd faszinierend. Ich bin als Zuschauer beinahe live dabei. All das entwickelt einen Sog, eine schier dokumentarische Kraft.
Jesus hat vier Auftritte. Mit einfachsten Mitteln wird dabei die Quintessenz des christlichen Glaubens vermittelt: Liebe deinen Nächsten, Liebe deine Feinde, was man der ärmsten Kreatur Gutes getan hat, das hat man quasi Gott getan, Liebe gewinnt immer, Barmherzigkeit ist der einzige Ausweg. Man mag es als simple Theologie abtun – elitärer Dünkel lässt grüssen. Es bleibt aber der Kerngehalt unseres Glaubens. Man kann die Wichtigkeit dieser einfachen, selbstverständlichen Botschaft gar nicht hoch genug einschätzen. Bekanntlich ist das Selbstverständliche, wenn es nicht gepflegt wird, ständig in Gefahr.
Und damit wären wir bei Mutter Teresa. Sie ist jetzt heilig. In einer eindrücklichen Zeremonie erhob Papst Franziskus die Missionarin der Nächstenliebe am vergangenen Wochenende zur Ehre der Altäre. Man mag die kleine Dame im indischen Gewand kritisieren, mag ihr meinetwegen das Graue am Himmel vorwerfen. Alles geschenkt. Sie ist und bleibt eine Ikone der Menschlichkeit, die gleichzeitig selber stets menschlich blieb. Sie ist weltweit populär, vor allem bei den sogenannt einfachen Menschen unterschiedlichster Religionen. Ein singulärer Glücksfall. Teresa hatte stets den Nächsten im Blick. Ihre Motivation entsprang dem Innersten des Christentums – helft den Armen, kümmert euch um die Nächsten, liebt einander, liebt die geschundene Kreatur. Sie war sich niemals zu schade, in den Dreck zu steigen, um den Menschen zu helfen. Wer die Menschen derart uneingeschränkt liebt, die Finger buchstäblich und im übertragenen Sinn in die Wunden legt, dabei ganz Mensch mit allen Zweifeln bleibt – der ist heilig.
Wie können wir über unsere Werte diskutieren, ohne jeweils gleich alles in Frage zu stellen?
Andreas Krummenacher