Ruth Langner (1988), Theologiestudentin an der Universität Freiburg i.Ü.

Wahl zwischen Leben und Tod

28.07.2011

"Den Himmel und die Erde rufe ich heute als Zeugen gegen euch an. Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen. Liebe den Herrn, deinen Gott, hör auf seine Stimme, und halte dich an ihm fest; denn er ist dein Leben." Dtn 30, 19–20a

In den letzten zwei Jahren ist für mich das Thema Leben im Gegensatz zum Tod wichtig geworden. Beide Begriffe beziehen sich für mich nicht nur auf die körperliche Ebene, sondern schliessen die Seele und den Geist mit ein. Ob ich am Ende eines Tages sagen kann: "Ich habe gelebt, ich habe am Leben teilgenommen", hängt von einigen Faktoren ab, nicht zuletzt von meiner Einstellung. Die zitierte Bibelstelle bringt für mich genau das zum Ausdruck: Gott lässt mir die Wahl zwischen Leben und Tod. In dem "Wähle" höre ich die Liebe und Sorge desjenigen, der mich geschaffen hat und mein Bestes will. Es ist eine Aufforderung, die mir die Freiheit lässt, mich zu entscheiden. Ob die Lebendigkeit das vorherrschende Prinzip meines Lebens wird, hängt auch von meiner Gottesbeziehung ab. Vor allem das "und halte dich an ihm fest" beeindruckt mich an dieser Stelle. Gott zu lieben und auf ihn zu hören, das klingt bekannt und überrascht uns nicht mehr (und wäre deshalb wert, wieder einmal neu in seiner Bedeutung entdeckt zu werden). Mich an Gott festhalten – das fällt nicht immer leicht, das hat mit dem Vertrauen zu tun, dass Gott wirklich alles Leben sorgsam in seinen Händen hält und auch in meinem Leben wirkt. Es hat auch mit dem Verzicht zu tun, alles selber machen zu wollen und mit dem Annehmen meiner eigenen Grenzen. Solange ich meine, selbst handeln zu können, mein Leben im Griff zu haben, solange halte ich mich nicht wirklich an jemand anderem fest. Und doch erfahre ich es als befreiend, wenn ich Gott den Anker in meinem Leben sein lasse, wenn ich alles, was mir widerfährt, in Bezug zu Gott bringen kann. Die schweren, hoffnungslosen und angstvollen Momente bekommen einen anderen Charakter, sie sind nicht mehr absolut, sondern relativ auf Gott hin. Sie verschwinden dadurch nicht einfach, sie wollen trotzdem durchlebt werden, aber eben nicht einfach nur durchstanden. In ihnen scheint schon etwas von dem Licht der Auferstehung durch, "denn er ist mein Leben".