Miriam von Känel: «Ein guter Schwingbesen? Es gibt wohl Wichtigeres!» Foto: zVg
Waldspaziergang statt Black Friday
Kauf-nix-Tag: Bewusster Konsumieren
Black Friday allüberall. Rabattschlacht und Weihnachtshektik. Gleichzeitig findet der Kauf-nix-Tag statt, erfunden von einer Bewegung, welche vorschlägt, für einmal nicht einzukaufen. Stattdessen werden andere Aktivitäten ins Zentrum gerückt. Die Psychotherapeutin Miriam von Känel* bietet zum Kauf-nix-Tag einen achtsamen Waldspaziergang auf dem Gurten an.
Interview Vera Rüttimann, freie Journalistin für «pfarrblatt» Bern
«pfarrblatt»: Frau von Känel, was haben Sie zuletzt gekauft?
Miriam von Känel: Gerade habe ich Windeln, Karotten und ein Brot gekauft.
Warum engagieren Sie sich am Kaufnixtag?
Der übermässige Konsum, vor allem im globalen Norden, treibt zum einen die Ausbeutung dieses Planeten voran. Zum anderen die Ausbeutung der Produzent:innen, die hauptsächlich im globalen Süden zu Hause sind. Und er macht auch etwas mit uns Konsument:innen. Dieser Konsum dient vielen Menschen als Ersatzbefriedigung für andere Bedürfnisse wie Nähe, Anerkennung oder Zugehörigkeit. Gerade in der Corona-Krise, wo manche vielleicht versuchen, durch das Konsumieren eine gewisse Normalität wiederherzustellen. Ich mache mit beim Kauf-nix-Tag, weil er Menschen für einen bewussteren Umgang mit dem eigenen Konsumverhalten sensibilisieren kann.
Was passiert bei einem achtsamen Spaziergang in den Wald?
Es wird einen entschleunigten Spaziergang geben, bei dem wir langsam unterwegs sein werden. Achtsam heisst, dass wir uns dabei bemühen, präsent zu sein im Moment. Einerseits, indem wir mit unseren Sinnen die Umgebung wahrnehmen. Andererseits, indem wir auch unsere Innenwelt mit unseren Gefühlen und Gedanken wahrnehmen. Zudem geht es um die Verbindung zwischen der inneren und der äusseren Natur. Bei diesem Spaziergang ist auch der Austausch untereinander und das gemeinsame Essen wichtig.
Welche Bedeutung hat für Sie der Wald, gerade in dieser Corona-Zeit?
Für mich persönlich ist der Wald ein Rückzugsort. In der Corona-Zeit ist er noch mehr zu einem Ort geworden, wo ich mich in Beziehung erleben kann zu anderen Lebewesen.
Wenn ich mich mit Menschen treffe, dann oftmals bewusst zu Spaziergängen im Wald. Zudem habe ich ein Teil meiner Therapiesitzungen in den Wald verlegt.
Üben im «einfachen Sein» heisst ein Programmpunkt: Wie geht das im Wald ?
Es gibt ein schönes Zitat von Jon Kabat-Zinn, der sagte: «Achtsamkeit ist einfach, aber nicht leicht.» Einfach Sein in dem Sinn heisst, dass ich mit meiner Aufmerksamkeit in der Gegenwart bleibe und all meine Empfindungen akzeptiere. Es geht nicht darum, sich zu verändern oder zu verbessern, sondern so zu sein, wie man gerade ist. Mit allem Imperfekten. Das ist ein anderer Ansatz als etwa beim Waldbaden, wo Teilnehmende in eine schöne Waldumgebung oder gar in Heilwälder eintauchen, mit dem Ziel, angenehme Erfahrungen zu machen. Beim achtsamen Waldspaziergang geht es darum, schöne, aber auch unangenehme Erfahrungen im Wald neugierig zu erkunden.
Was brauchen Sie, um zufrieden zu sein?
Natürlich sollen meine Grundbedürfnisse gedeckt sein wie Essen oder ein Dach über dem Kopf. Es ist mir auch wichtig, dass ich in Verbindung sein kann mit Menschen, die mir nahestehen. Um zufrieden zu sein, hilft es mir sehr, mir bewusst zu machen, dass all diese Dinge nicht selbstverständlich sind.
Haben Sie einen Wunsch zu Weihnachten?
Ein guter Schwingbesen? Es gibt wohl Wichtigeres. Ich wünsche mir, dass wir Menschen uns wieder bewusster werden, was uns untereinander verbindet. Auch mit den anderen Lebewesen, die diesen Planeten bevölkern.
* Miriam von Känel (39), Psychotherapeutin, engagiert sich bei der Bewegung «Transition Bern». Dort ist sie Mitglied der Kreativgruppe «Innerer Wandel».
Kauf-nix-Tag
Rund um den 27. November finden in der Offenen Kirche Bern und an anderen Orten verschiedene Aktivitäten statt: Nähcafés, Actionbound und Achtsamkeitstraining. Beteiligt sind transition bern, Public Eye Bern, der Verein BENE und weitere Engagierte.
Der Kauf Nix Tag (englisch Buy Nothing Day) ist ein konsum- und wachstumskritischer Aktionstag im November und wird seit den 1990er-Jahren in über 60 Ländern organisiert.