Warum heissen wir «Christen»?
Am christlichen Glauben fasziniert mich am meisten die Person Jesus. Sie ist schliesslich dessen Ursprung und Mittelpunkt. Dass wir nicht «JesuanerInnen» sondern «ChristInnen» heissen, ist das Ergebnis einer Deutungsgeschichte. Wie kam es dazu? Zunächst zur Klärung: Christus heisst auf Altgriechisch der Gesalbte. Im alten Bund wurden Priester, Propheten und Könige mit Öl gesalbt, zum Zeichen, dass sie im Namen Gottes reden und handeln. Obwohl Jesus weder Priester noch Prophet noch König war, erlebten die Menschen ihn als einen, der im Namen Gottes handelte und redete, und bezeichneten ihn nach dessen Tod als Gesalbten, als «Christus». Und noch etwas: Zur Zeit Jesu erwarteten gewisse jüdische Kreise das Ende der Welt oder zumindest das Ende der römischen Besatzung und einen Befreier aus der politischen Abhängigkeit, den Messias. Diese Erwartung geht auf den Propheten Jesaia (8. Jh. vor Chr.) zurück, der seinem Volk zur Befreiung aus der Knechtschaft der Assyrer eine solche Führergestalt verheissen hatte. Nach dem Tod von Jesus interpretierten seine Jünger ihn als neue und definitive Erfüllung dieser Verheissung und gaben ihm den Titel Messias, obwohl Jesus kein politischer Befreier war. Denn sie hatten Jesus als Befreier von inneren und äusseren Zwängen und als Hoffnungsträger der Unterdrückten erlebt. So wurde aus dem Menschen Jesus der Christus und Messias, eine religiöse Gestalt mit göttlichen Eigenschaften. Darum nannten sich seine Anhänger ChristInnen.
José Balmer vertritt seine persönliche Sicht. Wer auf seine Anregungen einsteigen will, kritisch, zustimmen oder ergänzend, kann das in unserem begleitenden Forum tun (Online-Formular, Email).