Im Haus der Religionen diskutierten Sasikumar Tharmalingam, Nicole Zemp, Laila Sheikh (Moderation), Rubin Gjeci und Karin Rom (v.l.n.r.) darüber, was am Lebensende zählt. Foto: Pia Neuenschwander

Was am Ende wichtig ist

Ob religiös oder atheistisch: Der Umgang mit dem Tod berührt alle. Den unterschiedlichen Zugängen zum Thema widmeten sich ein Rundgang und eine Podiumsdiskussion im Haus der Religionen.


Luca D’Alessandro

Welche Bedürfnisse haben Menschen am Lebensende? Wie gehe ich als Angehörige:r, Pflegefachperson, Ärztin oder Seelsorgende:r mit anspruchsvollen Situationen um? Welche Rituale begleiten das Lebensende in verschiedenen Religionen? Und welche Angebote stehen konfessionslosen Menschen zur Verfügung? 

Diese und weitere Fragen wurden am 22. Oktober anlässlich eines Rundgangs und der Podiumsdiskussion «Was am Ende wichtig ist» im Haus der Religionen thematisiert. Die Veranstaltung war Teil des Berner Stadtfestivals «endlich.menschlich», das die Öffentlichkeit für Themen wie Sterben, Tod und Trauer sensibilisieren und zum Dialog anregen wollte.
 


Antworten auf persönliche Fragen

Das Interesse am Thema ist gross – rund hundert Personen nutzten vor Ort die Möglichkeit, mit den verschiedenen Religionsgemeinschaften im Haus der Religionen und mit Mitgliedern des Vereins «Multireligiöse und konfessionsfreie Begleitung» (VMRB) in Kontakt zu treten.

Einige liessen sich von den Ausführungen der Vortragenden inspirieren und suchten nach Antworten auf ganz persönliche Fragen. Andere wollten aus beruflichen Gründen mehr über die Bräuche und Rituale verschiedener Religionen und Kulturen im Zusammenhang mit dem Lebensende erfahren. So auch eine Mitarbeiterin eines Geriatriezentrums. Sie wollte herausfinden, wie ihre Organisation den unterschiedlichen Bedürfnissen am Lebensende noch besser gerecht werden kann: Wer sollte in welchen Situationen hinzugezogen werden? Wie können spirituelle Bedürfnisse im Sinne der Patientin, des Klienten und der Angehörigen berücksichtigt werden? Sie wurde beim Event fündig.

 


Tanzgebete oder stille Andachten 

Die Veranstaltung vermittelte ein Gespür dafür, was am Ende für Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kulturen gleichermassen wichtig ist – primär die während des Lebens aufgebauten Beziehungen, das Eingebundensein in eine Gemeinschaft und das Gefühl, nicht allein gelassen zu sein. Es geht um Geborgenheit, das Teilen von Erlebtem und eigenen Erinnerungen. Darum, wahrgenommen zu werden und zu akzeptieren, was ist.

 Stirbt ein Mensch, wird für die Angehörigen das Beisammensein in der Gemeinschaft wichtig, ebenso das Erleben der gemeinsamen Werte und Traditionen. Diese kommen oftmals in Ritualen zum Ausdruck. Je nach Religion reichen diese von Waschungen über Tanzgebete, gemeinsames Essen und Trauern bis hin zu stillen Andachten.

Insgesamt interessant war der Austausch über die Vielfalt der Vorstellungen, was auf den Tod folgen könnte. Die unterschiedlichen spirituellen Richtungen lassen denn auch viel Raum für persönliche Antworten: der Tod als Teil eines Kreislaufs, als Neubeginn oder als Moment einer Verwandlung. «Der Geist bleibt, der Körper geht», so eine Stimme. 
 


Geborgenheit und Individualität 

Die Besuchenden konnten im Laufe der Veranstaltung einen Eindruck davon gewinnen, wie wichtig der Wunsch nach Geborgenheit und Individualität am Ende des Lebens ist und welche Rolle die Mitglieder des VMRB in ihrer Rolle als Seelsorgende haben. «Manchmal wünschen sich Menschen in ihrer Situation einfach eine Person, die ihnen zuhört oder still an ihrer Seite sitzt», sagte Nicole Zemp, Mitglied des VMRB-Vorstands, anlässlich der Podiumsdiskussion. 

Oder: «Oft äussern Menschen aus anderen Ländern mir gegenüber den Wunsch nach der Rückkehr in die Heimat», fügte der muslimische Theologe am Berner Inselspital, Rubin Gjeci, hinzu. Manche Menschen möchten von ihrem Leben erzählen, andere wiederum ihnen vertraute Musik hören, so die weiteren Stimmen.

 Es zeigte sich, dass es bei diesem Thema kein Richtig oder Falsch gibt. Vielmehr geht es darum, zu spüren, was Menschen und ihre Angehörigen im Moment des Abschieds brauchen. «Dabei gilt es, eine neutrale Haltung einzunehmen – wie fliessendes Wasser», fügte Sasikumar Tharmalingam hinzu, Seelsorger im Hindu-Verein Saivanerikoodam.

 Dasselbe Ziel – unterschiedliche Wege

 Meist sei es unwichtig – so der Tenor –, welcher Religionsgemeinschaft Seelsorgende angehören. Bedeutend sei vielmehr die Präsenz. «In der Seelsorge eint uns das Ziel, Menschen spirituelle Begleitung anzubieten und in schwierigen Situationen eine Stütze zu sein», sagte Sasikumar Tharmalingam. Das Ziel sei also dasselbe, «unterschiedlich sind einzig die Wege und Mittel».
 

Das Haus der Religionen feiert!

 Bis 14. Dezember feiert das Haus der Religionen am Berner Europaplatz sein 10. Jubiläum. Dazu werden insgesamt zehn Veranstaltungen zum interreligiösen Dialog, zu Spiritualität und Musik organisiert. Weitere Infos

Multireligiöse und konfessionsfreie Begleitung 

Der 2021 im Haus der Religionen gegründete Verein «Multireligiöse und konfessionsfreie Begleitung» (VMRB) bietet entsprechende Begleitungen an. Er setzt sich aus muslimischen, jüdischen, hinduistischen, alevitischen, buddhistischen, rumänisch-orthodoxen und konfessionsfreien Begleitenden zusammen. Gesucht werden zusätzliche Mitglieder für Seelsorge-Einsätze. Weitere Infos