Kapuzinerbruder Remigius, Grossonkel des Autors, beim Kartoffelrüsten im Kloster Arth. Foto: zVg
Was bleibt vom Leben eines Bruders?
Mit ihm kam Afrika in meine Kindheit. In den 1960er-Jahren schickte Remigi meinen Eltern kleine schwarzweisse Fotos von seinem Leben in Tansania. Auf einem posiert er samt Gewehr neben einem erlegten Wasserbock. Oder er lacht mit schwarzen Studenten bei einem Ausflug. Da war auch ein Bild im Missionsheftli von einem grossflächigen Stausee – hinten auf dem Damm stand millimeterklein abgebildet mein bärtiger Grossonkel, der Kapuziner, der den Bau angeleitet hatte.
Vor ein paar Tagen wäre Bruder Remigius aus Buochs hundertjährig geworden. Manchmal konnte ich ein paar Tage bei ihm verbringen im offenen Kloster Arth, wo er nach Tansania wirkte. Hier kamen wir beim Kartoffelrüsten ins Gespräch und mich berührte seine natürliche Frömmigkeit, mit der er nie missionierte. Ihm reichte eine Handvoll Gebete für einen tiefen Glauben. Sein Brevier sah durchwegs wie druckfrisch aus – doch ein paar wenige Seiten waren bereits durchsichtig vom täglichen Gebrauch! Hier standen seine Herzensgebete, auch das von Bruder Klaus: «Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir ...» Als Remigius 1991 mit 76 Jahren starb, war seine Zelle leer bis auf wenige Kleidungsstücke. Er hatte in den Monaten zuvor alles verschenkt. Bei mir stehen noch Holzelefanten, die er aus Ostafrika mitgebracht hat. So improvisierte an seiner Trauerfeier in Stans die Klarinette Melodien von dort, die im Kirchenlied «Gott schütze Afrika» endeten, der tansanischen Nationalhymne. Bei den ersten Tönen des Liedes begann ein Dutzend Kapuzinerbrüder mitzusingen – ein ergreifender Moment.
Als ich kürzlich auf einer Reise nach Tansania kam, erinnerte ich mich natürlich an Remigi, der 50 Jahre zuvor hier gewirkt hatte. Bei einem Fest am Fusse des Kilimanjaro kam ich mit einem älteren Tansanier ins Gespräch, der mich nach meiner Schweizer Herkunft befragte. Der alte Herr strahlte, er sei einst in Sofi bei Kapuzinern zur Schule gegangen, sein liebster Lehrer sei Bruder Remigius gewesen. Völlig überrascht schauten wir uns an. Im gleichen Moment sah ich den Staudamm von Sofi aus dem Missionsheftli vor mir. Darauf stand mein Grossonkel und zwinkerte mir zu.
Karl Johannes Rechsteiner