In Gstaad werden derzeit vier Gottesdienste pro Sonntag gefeiert. Im Bild: Kirche St. Josef. Foto: Pia Neuenschwander
Was Corona Pfarreien abverlangt
Die Pandemie treibt Pfarreien zu Höchstleistungen an.
Statt absagen, verschieben und vertrösten: mehr Gottesdienste, digitale Angebote, persönliches Engagement. Zwei Berner Pfarreien machen’s vor.
Autor: Marcel Friedli
Abgesagt, verschoben: Diese Dynamik macht sich zum Teil auch im römisch-katholischen Pfarreileben breit. Die Begrenzung auf fünfzehn Personen demotiviert. So werden Gottesdienste hier und dort gleich ganz abgesagt. Man wolle niemanden ausschliessen und nicht das Los entscheiden lassen.
Manche jedoch spornt die Pandemie zu Höchstleistungen an. Die Pfarrei Gstaad St. Josef beispielsweise hat ihr Angebot deutlich erweitert: sonntags werden allein in Gstaad vier Gottesdienste durchgeführt. «Sie sind alle ausgebucht. So kommen immerhin sechzig Personen in den Genuss von seelischer und geistiger Nahrung», sagt Pfarrer Alexander Pasalidi.
Er und sein Team nehmen den zusätzlichen Aufwand in Kauf. Die Anmeldungen müssen gemanagt, die Kirchen desinfiziert werden. «Ich finde es wichtig, ein Zeichen zu setzen: zu signalisieren, dass wir für unsere Mitmenschen da sind», betont der Priester mit griechischen, italienischen und Ostschweizer Wurzeln. «Wir wollen die Gemeinschaft weiter zu pflegen. Wenn auch in kleinem Kreis und unter Auflagen. Die Leute wissen unser zusätzliches Angebot zu schätzen.»
Digitales Know-how ausbauen
Auch in der Berner Pfarrei Bruder Klaus feiert man deutlich mehr Gottesdienste: bis zu elf pro Wochenende – alle ausgebucht. «Wir setzen auf Eucharistiefeiern», sagt Pfarreileiter Nicolas Betticher. «Dies zieht auch Menschen aus anderen Pfarreien an.»
Zudem wird die Predigt mit Kamera aufgenommen und auf der Website aufgeschaltet. «Vor allem ältere Menschen, die den Gottesdienst aus Vorsicht und Furcht nicht besuchen, nutzen und schätzen diese Möglichkeit. Sie sagen, sie hätten so das Gefühl, ebenfalls in der Kirche anwesend zu sein und innere Stärkung zu erfahren.»
In dieser Pfarrei ist man digital unterwegs: mit einer Videobotschaft zu Weihnachten, mit Newslettern, Whatsapp-Gruppen, über die Kanäle von Social Media. «Wir sind dabei, unser digitales Know-how weiter auszubauen. Dies ist eine spannende und wertvolle Erfahrung», sagt Nicolas Betticher.
Jedoch vernachlässigt man die analoge Welt nicht. So gehen Nicolas Betticher und sein Team zu den Menschen: bringen Panettone mit Kartengrüssen zu Menschen in Altersheimen und Kerzen zu Familien. «Als Zeichen der gegenseitigen Verbundenheit, als Zeichen der Hoffnung.»
Die Kraft der Kerzen
Auch Alexander Pasalidi von Gstaad St. Josef geht auf die Menschen zu. Er verfasst regelmässig Briefe, die verschickt, gestreut und online publiziert werden. «Das Echo ist immens», sagt er, «es zeigt, wie sehr sich die Menschen nach tröstenden, aufbauenden, inspirierenden und Vertrauen spendenden Worten sehnen. Ich finde es wichtig, dass wir als Kirche zeigen, dass wir in der aktuellen Extremsituation da und bereit sind, über uns hinauszuwachsen.»
Im Saanenland und Simmental bleibt man dem adventlichen Kirchenleben treu: Auch dieses Jahr werden Adventskränze gebastelt, eingeteilt in Gruppen von fünfzehn Personen.
Dieselbe Zahl gilt auch für die Roratemessen. «Das spezielle Ambiente mit den vielen leuchtenden Kerzen wird geschätzt, als morgendliche Einstimmung», sagt Alexander Pasalidi. Zmorge inklusive. «Zwar sind die Brötchen abgepackt, und wir verzichten auf Butter und Konfitüre. Aber Tee und Kaffee ist für alle da.» An der Caritas-Aktion Eine Million Sterne von Anfang Dezember hält der Gstaader Pfarrer ebenfalls fest. «Jetzt ist es noch wichtiger, für Hoffnung und Solidarität einzustehen.»
Zu sich Sorge tragen
Alexander Pasalidi und sein Team sind zurzeit, wie alle Menschen im kirchlichen Dienst, besonders gefordert: Es gilt, flexibel und kreativ zu sein. «Es ist unsere Verpflichtung, unser Auftrag, für unsere Mitmenschen da zu sein und das Beste aus uns herauszuholen. Zu zeigen: Wir sind für euch da.»
Wer schenkt, ohne zu verlangen – der erhält zurück: Dieser Zusammenhang bewahrheitet sich mit dem Echo der Menschen, das dem Gstaader Pfarrer Kraft zum Weitermachen schenkt. Ebenso wichtig, um den Zusatzeffort längere Zeit aufrecht zu erhalten, ist der freie Montag, an dem er sich in die Stille zum Gebet zurückzieht. «Daraus schöpfe ich die Kraft, mich für andere einzusetzen. Auch mein Team ermuntere ich, zu sich Sorge zu tragen.»
Anspruchsvoll ist es auch für seinen Berner Kollegen Nicolas Betticher. «Es ist eine ganz andere Advents- und Weihnachtszeit als sonst. Eine Chance, neue Erfahrungen mit neuen Formen zu sammeln, um die Menschen zu erreichen – und sie zu unterstützen.»
Stille Weihnachten
Sich mit so wenig Menschen wie möglich und nur wenn nötig treffen. Weniger Anlässe als sonst zu dieser Jahreszeit, auch kirchlicher Art: Die Advents- und Weihnachtszeit steht unter neuen Vorzeichen.
«Dieses Jahr gibt es stille Weihnachten. Wie die allererste Weihnacht, da war es auch still», sagt Pfarrer Nicolas Betticher. «In dieser Stille sind wir solidarisch miteinander verbunden: mit all jenen, die in Angst und Sorge und krank sind.»
Es sei eine Einladung, sich von der Weihnachtsbotschaft berühren zu lassen, ergänzt Alexander Pasalidi: «Öffnen wir unser Herz während der Adventszeit, Tag für Tag. Um aus dem Vertrauen heraus aus jedem Tag das Bestmögliche zu machen.»