Weihnachten vor der Tür

Autorin: Vera Rüttimann, kath.ch / Fotos: Pia Neuenschwander

Weihnachten wird diesmal anders. Auch in der Heiliggeistkirche am Berner Bahnhofplatz. Wegen der Pandemie findet das heilige Fest vor der Tür der Kirche und im Internet statt. Vom 17. Dezember 2020 bis am 6. Januar 2021 sendet eine interaktive Weihnachtskrippe lichtvolle Botschaften in die Welt.

Auf dem Bahnhofsplatz in Bern blöken Schafe. Schafe? Tatsächlich. Sie tummeln sich in einem Gehege, das sich auf der Nordseite der Heiliggeistkirche befindet. Wenige Meter daneben steht eine grosse Weihnachtskrippe. Errichtet hat sie das Künstlerduo Teddy Wassmer und Piotr Tollik aus bunten Holzplanken und unzähligen Nägeln. Bald wird die Krippe von den bunten Figuren des Berner Art-Brut-Künstler Heinz Lauener bevölkert.

Interaktive Weihnachtsgrüsse

Anders als auf anderen Weihnachtsmärkten, gibt es hier keine teure Handwerkskunst zu kaufen. Unter dem Motto «Weihnachten vor der Tür» sind bei dieser Krippe Passanten eingeladen, nicht zu konsumieren, sondern zu gestalten. In einer «Living Library» erzählen Menschen, welche Traditionen sie an Weihnachten pflegen und was ihnen dieses Fest bedeutet; Geschenke für Geflüchtete können im Stall deponiert werden; Passanten können hier ihren Stern vorbeibringen, damit im Stall ein Sternenhimmel entstehen kann.

Andreas Nufer, Pfarrer an der Heiliggeistkirche Bern, sagt über dieses Projekt: «Wenn wir Weihnachten 2020 weder in der Familie, noch in der Gemeinden richtig feiern können, sollen sich Leute bei dieser Krippe einbringen können.» Weihnachten findet hier auch im Internet statt. Die Weihnachtsbotschaft soll per Video und Facebook-Nachrichten in die Welt hinaus. Wichtig ist den Organisatoren, dass Geflüchtete und Migrant*innen ihre Verwandten in ihren Heimatländern grüssen können. Der Slogan «Weihnachten vor der Tür» hat für Andras Nufer denn auch eine vielschichtige Bedeutung: «Es gibt Flüchtlinge, die vor den Türen Europas stehen. Und es gibt Leute bei uns, die durch die Corona-Krise vor der Tür stehen, weil sie den Job verloren haben.»

Alle machen mit

Die Weihnachtskrippe ist ökumenisch organisiert und getragen von 21 NGOs, der Stadt Bern und Partner*innen. Darunter sind Organisationen wie der «Ökumenische Mittagstisch für Asylsuchende mit Nothilfe und Sans Papiers», «Bern welcome» oder «Missione Cattolica da Berna». Die Schafe, an denen sich auch der Randständige Michel freut, stammen vom Begegnungshof Hintermatt aus Wohlen bei Bern.

Andrea Meier, Leiterin der Fachstelle Jugend der Katholischen Kirche Region Bern, findet es gut, dass Weihnachten draussen stattfindet. Draussen, das heisst für sie auch: Bei den Randständigen. Ganz in der Nähe der grossen Treppe, auf denen sie oft sitzen. Die Theologin beobachtet, dass sich einige verunsichert zeigen, andere sich wiederum schon für den Stall verantwortlich fühlen. «Sie fühlen sich schon als Teil dieses Projektes.»

Friedenslicht im Stall

Drinnen in der Heiliggeistkirche brennt schon das Friedenslicht, das seit 1986 aus Bethlehem jedes Jahr im Dezember aus der Geburtskirche Jesu’ geholt und in die ganze Welt verteilt wird. Auch draussen bei der Krippe auf dem Berner Bahnhofplatz wird es bald entzündet. Auch Andrea Meier freut sich darauf. Sie hofft, dass die Leute schlicht Freude an der Atmosphäre rund um diesen Stall haben. Sie sagt: «Freude ist etwas, was viele Leute jetzt unbedingt brauchen.»

International Xmas im Loop
Am 4. Advents-Sonntag zwischen 15 und 17 Uhr spielen junge Schauspielende der «Jungen Bühne Bern», Geflüchtete und Einheimische in der Heiliggeistkirche in Bern Szenen aus der Weihnachtsgeschichte. Begleitet werden sie von der Band Alizarin. Die Stücke, die ganz im Hier und Jetzt angesiedelt sind, dauern 15 Minuten.