Gabriele Ziegler, «Die Wüstenmütter. Weise Frauen des frühen Christentums». Mit einem Vorwort von Anselm Grün. Camino 2015, 159 Seiten, Fr. 24.50.
Weise Frauen
Aussteigerinnen in der Antike. Ihre Weisheit bleibt hochaktuell.
Einige Aussteiger aus der spätantiken Gesellschaft, die als «Wüstenväter» in die Geschichte eingingen und wie Antonios der Grosse über die Zeiten hinweg als Vorbilder für ein unangepasstes Leben gelten, haben sich ins kollektive Gedächtnis spirituell Interessierter eingeprägt. Was viele aber nicht wissen ist, dass es auch «Wüstenmütter» gab.
Gabriele Ziegler holt mit ihrem Buch «Die Wüstenmütter. Weise Frauen des frühen Christentums» die Aussteigerinnen der Antike aus dem Vergessen oder wissentlich Verdrängten heraus und legt deren beeindruckende, eigene Spiritualität frei. So rät Sarrah, die 60 Jahre am Ufer des Nils gelebt hat, einer Schwester, die sie bittet, für sie zu Gott um Erbarmen zu beten: «Weder ich noch Gott können uns deiner erbarmen, wenn du dich nicht selbst über dich erbarmst.» Wüstenmutter Synkletika, die ausserhalb Alexandrias lebte, rät, innere Wüstenzeiten oder Verachtung durch andere, eigene Fehler und eigenes Scheitern auszuhalten und sich Zeitmoden nicht anzupassen. Um nicht zu verbittern, brauche es Sanftmut, ein offenes Herz: «damit du dein Felsenherz in Wasserquellen wandelst». Gabriele Ziegler zieht ein bemerkenswertes Fazit: «Angesichts des Leids und der Gräuel ihrer Zeit war den Wüstenmüttern klar, dass ‹Leben› nicht sein konnte, was sich um sie herum in Welt und Kirche abspielte.» Die Weisheit der Wüstenmütter bleibt hochaktuell.
Jürg Meienberg