Die Andacht in der Friedenskirche ist gut besucht. Foto: Vera Rüttimann
Weltliche Gemeinschaft im Berner Stadtkloster
Letzten Sommer sind mehrere Personen ins Pfarrhaus der Berner Friedenskirche gezogen. Sie gehören zum Verein Stadtkloster Frieden. Die weltliche Gemeinschaft belebt die Anlage auf dem Veielihubel neu – ein Zukunftsmodell für die Kirche?
Vera Rüttimann
Viele Gäste geniessen am Sommerfest des Stadtklosters und der reformierten Kirchgemeinde Frieden den lauschigen Abend dieses 1. Augusts und das Treiben auf der erhöhten Plattform, von der man auf das Bundeshaus und das Berner Münster blicken kann. Viele sind interessiert, was sich in und um die Friedenskirche tut. An Infoständen und im Gespräch mit den Gastgebenden in der idyllischen parkähnlichen Anlage ist zu erfahren, was das Projekt «Stadtkloster Frieden» beinhaltet.
Neues Leben auf dem Hügel
Die Gemeinschaft des Stadtklosters Frieden trifft sich immer von Dienstag bis Donnerstag um 21.30 zum Nachtgebet in der Friedenskirche. Einmal im Monat gibt es samstags eine Morgenmeditation mit anschliessendem gemeinsamem Arbeiten unter dem Motto «Ora et Labora». «Der Kern unseres gemeinschaftlichen Lebens ist das Gebet. Zu unserem Gebet kommen die unterschiedlichsten Leute. Bei jedem Gebet ist eine andere Konstellation von Leuten da», sagt Sally-Anne Pitassi. Laut der Kinder- und Jugendarbeiterin seien regelmässig auch Quartierbewohner:innen da, die diese Kirche von Kind auf kennen.
Im Dreiklang: Beten, Arbeiten und Leben
Bekannt sind die «Don Camillos» in Montmirail, die als kommunitäre Gemeinschaft in einer früheren Internatsschule einen Gästebetrieb führen. Vom Berliner Stadtkloster Segen und dessen Don-Camillo-Communität inspiriert, entstand die Idee, in Bern ein Stadtkloster zu gründen.
Anfangs 2023 fand bei der Friedenskirche ein Besichtigungstermin für Projektinteressierte statt, worauf sich ein Kernteam bildete. Mittlerweile wird das Stadtkloster Frieden von elf Erwachsenen und bald acht Kindern bewohnt. Die junge Bernerin Sally-Anne Pitassi ist vom ökumenischen Ansatz des Projekts fasziniert: «Ich finde es spannend, dass hier so viele kirchliche Konfessionen und Ausrichtungen Platz haben. Zusammen im Dialog sein, die Andersartigkeit des anderen akzeptieren – das ist für mich auch ein Zukunftsmodell für eine immer kleiner werdende Kirche.»
Für Carina Ninck sind es die Dinge, die ein Kloster schon immer ausgemacht haben, der Dreiklang Beten, Arbeiten und Leben, der ganzheitliche Aspekt dieses Projekts.
Den Glauben gemeinsam leben
Eines der Klosterhäuser ist das Sigristenhaus, idyllisch gelegen am Fuss der Friedenskirche. Darin wohnt Bettina Jans-Troxler mit ihrer Familie. «Wir haben geprüft, ob das Stadtkloster etwas für uns sein könnte, und sagten dann zu», erzählt die Bernerin, während sie dem Gast den langen Tisch zeigt, wo die Stadtkloster-Gemeinschaft jeweils montags gemeinsam zu Abend isst.
Gemeinschaftliches Leben begleitet sie schon lange. Zwei Jahre hat sie in einer Hausgemeinschaft der reformierten Kirche Ittigen in Worblaufen gelebt. «Den Glauben allein leben finde ich sehr anspruchsvoll – es hilft, sich gegenseitig zu ermutigen», ist ihre Erfahrung. In der Stadtkloster-Gemeinschaft bringen sich alle mit ihren Skills ein.
Bettina Jans-Troxler beispielsweise kennt durch ihre Engagements in Bern viele unterschiedliche Personen. Davon kann die Gemeinschaft profitieren: «Am Anfang braucht es Pioniere, die gern Neues wagen und ihre Kontakte einbringen.»
Kirchgemeinde und Stadtkloster: Brücken bauen
Die Gemeinschaft investiert viel Freizeit ins Zusammenleben, in die Aufwertung des öffentlichen Raums und in die Zusammenarbeit mit der Kirchgemeinde Frieden. Seit Sommer 2023 sind beide Parteien, die Kirchgemeinde und das Stadtkloster Frieden, auf dem Veielihubel präsent und gestalten unterschiedliche Angebote wie das Sommerfest zusammen.
Einmal pro Monat stellt das Stadtkloster Frieden in den regelmässigen Gottesdiensten ein Kinderprogramm auf die Beine, hilft beim traditionellen Mittagstisch mit und tauscht sich mit dem Pfarrteam über die Frage aus, wie man gemeinsam unterwegs sein kann. Ganz im Sinne der Brücke, die am Sommerfest von vielen kleinen und grossen Händen gebaut wurde. «Wir wollen keine eigenständige Kirche sein», betont Sally-Anne Pitassi, «sondern wir unterstützen die bestehenden Kirchgemeinden.»
Daneben finden auch eigene Anlässe statt, die zum Klostergedanken passen. Doch im Vordergrund steht das gemeinschaftliche Leben auch über die Kerngruppe hinaus. Dem Stadtkloster Frieden sei es zudem wichtig, so Sally-Anne Pitassi, dass sich Interessierte einbringen können, ohne zur Gemeinschaft vor Ort gehören zu müssen.
Schmerzender Umzug
Häufig auf dem Veielihubel anzutreffen ist auch Pia Neuhaus. Als Mitglied des Kirchgemeinderats Frieden ist sie in den Veränderungsprozess dieses Orts involviert. «Ich habe mich im Vorfeld stark dafür engagiert, dass die Aktivitäten der Kirchgemeinde und das Programm des Stadtklosters Frieden ineinandergreifen.» Dieser Ort sei sehr schön zum Beten und Meditieren.
«Die jungen Leute sollen eine Chance erhalten, mit diesem Gebäude etwas zu bewirken. Man sollte ihnen keine Steine in den Weg legen», erzählt Pia Neuhaus. Sie weiss jedoch auch von der Skepsis, die diesem Klosterprojekt seitens der Quartierbewohner entgegenschlägt. «Als der Name ‹Stadtkloster Frieden› noch nicht so verbreitet war und man eher von der Don-Camillo-Communität sprach, sagten einige Leute: ‹Ah, das sind diese Kommunisten!›»
Pia Neuhaus bringt auch die Herausforderungen des Zusammenwachsens von Kommunität und Gemeinde zur Sprache: «Wir sind ins Kirchliche Zentrum Bürenpark umgezogen und sind hier bei der Friedenskirche weniger präsent. Das schmerzt viele.»
Eine Insel der Ruhe
Am Himmel knattert es. Das Stadtkloster befindet sich in der Anflugschneise der Rega-Helikopter, die auf dem nahegelegenen Inselspital landen. Viele Leute sehen in der Nacht von ihrem Fenster aus die beleuchtete Kirche. «Das wirkt tröstend und beruhigend», sagt ein Kirchgemeindemitglied. Immer wieder neu idyllisch und meditativ wirkt dieser Hügel, auf dem das Stadtkloster Frieden steht.
«Man steigt hier hoch und befindet sich auf einer Insel, die sich aus dem Alltagsleben abhebt – wie in einer Klosteranlage», weiss Gianmarco Derungs, Lehrvikar in der Kirchgemeinde Frieden. Das Stadtkloster Frieden ist am richtigen Ort.