Aus der Schweiz an der Synode: Helena Jeppesen-Spuhler, Claire Jonard und Bischof Felix Gmür. Foto: SBK
Weltsynode: Schweizer Perspektiven zur Halbzeit
Der Vatikan wollte die Synode bei der Frauenfrage ausbremsen. Das hat nicht geklappt. Zur Halbzeit führt die Synode 1:0. Gleichzeitig spüren die Synodalen den wachsenden Druck. Am 26. Oktober müssen sie ein gemeinsames Abschlussdokument mit konkreten Reformvorschlägen für den Papst verabschieden.
Annalena Müller
«Das Wiedersehen war ein wenig wie in der Schule nach den Sommerferien», sagt Claire Jonard über die zweite Etappe der Weltsynode. Jede und jeder kenne den Ablauf, und auch mit der synodalen Methode des gegenseitigen Zuhörens seien alle vom letzten Jahr vertraut. Die Stimmung sei gut, bestätigt auch Helen Jeppesen-Spuhler.
Steigende Anspannung
Allerdings sei die Anspannung dieses Mal deutlich höher. Denn von der Synode würden konkrete Ergebnisse erwartet und die Positionen der Synodalen, die aus der ganzen Welt für vier Wochen nach Rom gereist sind, mitunter weit auseinanderlägen.
Jonard und Jeppesen-Spuhler nehmen beide aus der Schweiz an der Synode teil. Jeppesen-Spuhler als stimmberechtigte Delegierte, Jonard als Moderatorin, die Gespräche an den runden Tischen leitet. Beide sind mittendrin und spüren sowohl die gute Grundstimmung als auch die steigende Anspannung. Am 26. Oktober muss die Synode ein Abschlussdokument verabschieden, das konkrete Reformvorschläge für den Papst beinhaltet, so die beiden Frauen gegenüber dem «pfarrblatt».
Synode versus Studiengruppen
Dass der Weg dahin kein gradliniger sein würde, zeigte sich bereits beim Auftakt. Der Auslöser: Kardinal Fernandez, Chef des Glaubensdikasteriums, erteilte dem Frauendiakonat zur Synodeneröffnung eine mehr oder minder klare Absage. Das Geraune in der Synodenaula wuchs in den folgenden Tagen zu einem Crescendo.
Die Irritationen blieben auch dem Synodensekretariat nicht verborgen, wie Thomas Söding, theologischer Experte an der Weltsynode, am 6. Oktober in seinem täglichen Rapport «Synode mit Söding» festhielt. Das vatikanische Establishment musste das neue Selbstbewusstsein der Synode anerkennen.
Nach dem Willen des Papstes hätte die Synode gar nicht mehr über einige besonders strittige Themen, darunter die Frage nach der Diakonatsweihe der Frau, diskutieren sollen. Daher hatte Franziskus im Frühjahr Studiengruppen eingerichtet. Die Leiter dieser Gruppen sollten der Synode lediglich zu Beginn einen Zwischenbericht erstatten und ansonsten ihrer Arbeit in den jeweiligen Dikasterien nachgehen.
Rechnung ohne Wirt gemacht
Aber hier hatten Synodenbüro und Papst die Rechnung ohne die Synode gemacht. Bereits das Ausgliedern zentraler Themen hatte für Irritationen gesorgt. Die Berichte samt Absage an das Frauendiakonat führten zu Protesten. Am 18. Oktober, also wenn die Synode auf ihren Höhepunkt zusteuert, werden die Verantwortlichen für die Studiengruppen den Delegierten Rede und Antwort stehen.
Für Helena Jeppesen-Spuhler, eine der synodalen Vorkämpferinnen für Gleichberechtigung in der Kirche, ist es ein Erfolg, dass die mächtigen Dikasterien gegenüber der Synodenvertretern Rechenschaft ablegen werden. Ausserdem hat die Synode mit ihrem Protest erreicht, dass nun auch Frauen in jener Studiengruppe Einsitz nehmen werden, die ein lehramtliches Papier zur Frauenfrage erarbeiten soll. Unklar ist allerdings, wer diese Frauen sein werden und wie der Vatikan sie aussuchen wird, sagt Jeppesen-Spuhler gegenüber dem «pfarrblatt».
Frauen machen Druck
Reformorientierte Synodalen werden «Inputs» an das Synodenbüro liefern, welche die Studiengruppe berücksichtigen soll. Dazu hatte Kardinal Fernandez nach den kritischen Voten eingeladen. Einige Frauen hätten bereits begonnen, entsprechende Dokumente zu verfassen. «Wir lassen da nicht locker», so die Aargauerin.
Den Druck auf den Vatikan halten reformorientierte Synodale auch im Umfeld der Synode aufrecht. Am 15. Oktober versammelten sich Frauen aus verschiedenen Ländern und Kontinenten und sprachen über ihre Berufung zur Diakonin. Organisiert hatten dies amerikanische, asiatische und australische Netzwerke. An dem Event nahmen Mitglieder der Synode, Expert:innen und Bischöfe teil. » Die Zeit ist längst reif diese Frauen zu weihen. Ich bin sehr berührt, wie eindrücklich diese Frauen ihre Berufung spüren und reflektieren», sagt Jeppesen-Spuhler.
Konsens bei Dezentralisierung
Allerdings messen nicht alle Synodale der Frauenfrage die gleiche Bedeutung zu. «Das Diakonat der Frau hat unter den afrikanischen Bischöfen aktuell keine Mehrheit», räumt auch Jeppesen-Spuhler ein. Aber auch dort sei man sich einig, dass es dezentrale Lösungen brauche - für die Stärkung der Mitverantwortung von Frauen und andere Fragen, wie zum Beispiel die in einigen afrikanischen Ländern verbreitete Polygamie.
Auf stärkere Regionalisierung und die Notwendigkeit grösserer Gestaltungsräume für die Ortskirchen können sich in der zweiten Etappe der Weltsynode – so scheint es zumindest zur Halbzeit – fast alle einigen. Vielleicht ist das auch die Folge des Traumas, das die eher konservativen afrikanischen Bischöfe mit «fiducia supplicans» erlebt haben. Nachdem der Vatikan im Dezember 2023 einen «Segen light» für gleichgeschlechtliche Paare für zulässig erklärt hatte, stellten sich die dortigen Bischofskonferenzen geschlossen dagegen. «Sie wollen nicht nochmals ein Schreiben aus der Zentrale bekommen, zu dem sie nicht konsultiert wurden», fasst Jeppesen-Spuhler ihren Eindruck aus der Synodenaula zu diesem Thema zusammen.
Zur Halbzeit der Synode ist klar: Der Weg ist noch weit - aber die Synode ist unterwegs. Trotz der zum Teil sehr unterschiedlichen Auffassungen, die sich jeden Tag um 08.30 in der Synodenaula an den runden Tischen begegnen, nehmen die beiden Schweizer Frauen einen «Geist der Verbundenheit» und den Willen wahr, den Weg gemeinsam zu gehen.