Illustration: Jonas Brühwiler

Wenn der Güggel grün kräht

16.09.2020

Berner Pfarreien sind mit dem Umweltlabel «Grüner Güggel» lustvoll grün unterwegs.

Respektvoll mit der Schöpfung umgehen: Diese Absicht steckt hinter dem Umweltlabel Grüner Güggel. Die Pfarrei St. Josef in Köniz erhält das Zertifikat zum zweiten Mal – und ist weiter lustvoll grün unterwegs.


Von Marcel Friedli


Eine Messingplatte am Eingang des Hauptgebäudes, zwei Zertifikate über der Kaffeemaschine: Wer mit offenen Augen und wachem Geist in den Räumen des Pfarreizentrums St. Josef unterwegs ist, wird sich gewahr, dass hier ein grüner Geist herrscht – krächzt: der Grüne Güggel, seines Zeichens Umweltlabel für kirchliche Organisationen (siehe Kasten).
Hinter dem Grünen Güggel steckt mehr als etwas Metall und Papier – mehr als ein Lippenbekenntnis: umgesetzter Umweltschutz. «Der Grüne Güggel», sagt Chantal Brun, Mitglied der Arbeitsgruppe Schöpfungsverantwortung bei St. Josef in Köniz, «bestätigt, dass sich unser Einsatz lohnt. Er gibt uns zudem von externer Stelle Gewissheit, dass wir unseren Anspruch fachgerecht umsetzen und motiviert uns dranzubleiben.»

Beim Grünen Güggel setzt man sich realistische und messbare Ziele. So hat sich die Pfarrei vorgenommen, weniger Strom zu verbrauchen. Darum wird im Winter der Seiteneingang der Kirche benutzt; Heizung und Warmwasser ist, wo nicht nötig, abgestellt. «Seither verbrauchen wir deutlich wenig Strom – obwohl wir die Räume mehr benützen.»

Den Dialog suchen

Auch sind nun Wegwerfgeschirr und Sprudelwasser nicht mehr erwünscht; und pro Anlass in der Kirche soll nur ein Kehrichtsack gefüllt werden. «Wir strafen jedoch niemanden ab, der es anders handhaben will. Denn es ist uns ebenso wichtig, gastfreundlich zu sein», sagt Chantal Brun. «Wir suchen den Dialog: erklären, warum wir bewussten Umgang mit Ressourcen als wichtig erachten und hören unseren Gästen zu. So nutzen wir die Gelegenheit zu informieren und zu sensibilisieren; mit dem Ziel, einen Kompromiss zu finden. Zum Beispiel, dass die Gäste die zusätzlichen Kehrichtsäcke oder das Mineralwasser selbst mitbringen.»

Eine wichtige Voraussetzung, um als Kirche grün unterwegs zu sein, ist der Rückhalt im Kirchgemeinderat sowie im Seelsorgeteam. Dies strahlt auf die ganze Pfarrei aus. «Das Gros der Leute trägt unsere Bemühungen mit», sagt Chantal Brun. «Auch wenn es Stimmen gibt, die finden, es sei im Winter bei uns etwas kühl. Doch bei fünftausend Mitgliedern kann man nicht erwarten, dass absolut alle einer Meinung sind. Was mich besonders freut: Die Kinder und Jugendlichen tragen unser Engagement mit und mögen es zum Beispiel, Vogelhäuschen und Igelkästen zu bauen.»

Gemeinsam für eine Sache

Der Aufwand, um das Label zu erhalten, sei für eine Kirchgemeinde vertretbar, sagt Chantal Brun. «Zwar steckt auch Fleissarbeit dahinter: Es gilt, Dokumente aktuell zu halten, Berichte zu schreiben, ein grünes Datenkonto zu bewirtschaften und jedes Jahr ein internes und alle vier Jahre ein externes Audit zu durchlaufen. Letztlich ist der Aufwand aber weniger gross, als man am Anfang denkt. Mit der Zeit spielt es sich ein. Zudem lernt man dauernd dazu, kann Neues anpacken.» Vor Kurzem hat die Heizungssteuerung erneuert werden müssen. Auch dank dem Einsatz der Arbeitsgruppe Schöpfungsverantwortung ist laut Chantal Brun die ökologischere und nachhaltigere Variante bewilligt worden.

Mit dem Grünen Güggel lassen sich Menschen für den Einsatz in der Kirche gewinnen. «Umwelt ist ein Thema, das trägt und Personen erreicht, die sich weniger via Messe und soziale Anlässe ansprechen lassen – sondern von etwas Praktischem und Pragmatischem: der Sorge für unsere Welt.»

 


Um das Label Grüner Güggel zu erhalten, setzt sich eine Kirchgemeinde drei selbstgewählte, messbare Ziele. In erster Linie geht es darum, den Ist-Zustand zu verbessern. So können Kirchgemeinden etc. mitdenken und Eigeninitiative entwickeln. Im Kanton Bern ist die Pfarrei St. Josef die erste, welche nach vier Jahren den Rezertifizierungsprozess durchlaufen hat. Ein paar wenige Berner Kirchgemeinden haben den Grünen Güggel erhalten, andere sind auf dem Weg.

Der Grüne Güggel hilft Kirchgemeinden, ihre Umweltleistung zu verbessern, ökologische Ressourcen optimal einzusetzen und Betriebskosten zu sparen. Die Fachstelle oeku verleiht nach entsprechender Prüfung das Zertifikat (siehe Interview unten). Das Konzept stammt aus Deutschland, wo kirchliches Umweltmanagement seit zwanzig Jahren betrieben wird; dies unter dem Namen Grüner Gockel. Der Name hat seinen Ursprung in der biblischen Passionsgeschichte. Petrus verleugnet Jesus drei Mal. Erst als der Hahn kräht, wird ihm dies bewusst. Der Grüne Güggel erinnert uns daran, die Schöpfung nicht zu verraten.
Weitere Infos: www.oeku.ch

 

«Ein Auge auf die Umwelt»

Ist der Grüne Güggel ein Papiertiger? Kurt Zaugg-Ott nimmt Stellung. Er leitet oeku, die Fachstelle für Kirche und Umwelt, die das Umweltlabel verleiht.


Interview: Marcel Friedli


«pfarrblatt»: Was unterscheidet eine Kirchgemeinde mit Grünem Güggel von einer ohne?

Kurt Zaugg: Hat eine Kirchgemeinde den Grünen Güggel, weiss man, dass hier eine Gruppe am Werk ist, die auf umweltrelevante Bereiche ein Auge hat. Das Label garantiert, dass die gesetzten Ziele regelmässig überprüft werden.

Ein Label klingt nach viel Bürokratie, Aufwand und Kosten. Lohnt sich dies für eine Kirchgemeinde?

Es zahlt sich für eine Kirchgemeinde aus. Konkret, wenn sie zum Beispiel weniger Geld fürs Heizen ausgibt, weil sie Energie gezielt einsetzt. Zudem gewinnt eine Kirchgemeinde, die sich die Ökologie auf die Fahne schreibt, Sympathien – und holt Leute ins Boot, die sich über grüne Anliegen ansprechen lassen.

Nur knapp dreissig Kirchgemeinden haben den Grünen Güggel.

Sagen Sie nicht: nur. Ich sage: immerhin. Es beruht ja auf Freiwilligkeit. Zudem vergeben wir das Label in der Schweiz erst seit fünf Jahren; der Prozess zum Zertifikat dauert zwei Jahre. Es braucht Zeit und Geduld. Klar: Wenn man bedenkt, dass es ein paar tausend Kirchgemeinden gibt, ist das Potenzial gross. Wir setzen alles daran, den Grünen Güggel bekannter zu machen.

Warum?

Weil der Grüne Güggel zeigt, dass Kirchen die Klimakrise ernst nehmen – und dass ihnen die Schöpfung tatsächlich am Herzen liegt.