Einmal monatlich treffen sich Männer in der Heiliggeistkirche, um in Stille in sich zu gehen. Foto: Sylvia Stam
Wenn Männer schweigen
Männer meditieren Mittwoch morgens
4M steht für «Männer meditieren Mittwoch morgens». Einmal im Monat treffen sich Männer in der Heiliggeistkirche in Bern, um gemeinsam zu meditieren. Es geht darum, für eine kurze Weile den Alltag zu verlassen und in Stille in sich zu gehen.
von Silvan Beer
Die Welt ist noch nicht richtig in die Gänge gekommen an diesem Morgen. Kurz vor sieben Uhr gehen die Menschen, dick eingepackt in ihre Mäntel und Mützen, dem Zug, dem Büro oder dem ersten Kaffee entgegen.
Die Männer blicken in das Licht in der Mitte
Ein Obdachloser schläft auf einer Bank. Einige Nachtschwärmer warten benommen auf den Bus. Die Trams kommen und gehen. Das alles spielt sich auf dem Bahnhofplatz in Bern ab. Im Zentrum thront die Heiliggeistkirche, grau und abweisend, wie ein grosses schlafendes Tier. Nichts liesse darauf schliessen, dass in dieser Kirche eine Gruppe von Männern zusammenkommt, um den Tag mit einer gemeinsamen Meditation zu beginnen.
Die Kirche wirkt leer. Vorne im Dunkeln ist ein sanftes Flackern zu sehen. In einem Kreis sitzen mehrere Männer um eine Schale mit Kerzen. Die Männer schweigen und blicken in das Licht in der Mitte. Nach einer Weile ergreift einer von ihnen das Wort.
Die Gedanken schweifen
Er begrüsst die Anwesenden und erklärt den Ablauf: einige Entspannungsübungen und eine halbe Stunde schweigendes Meditieren. Die Männer stehen auf und strecken sich, schütteln die Arme, lassen sie kreisen und atmen tief ein und aus. Danach setzen sie sich hin. Ein Gong ertönt, die Augen sind geschlossen.
Loslassen, ganz im Moment sein: Auch frühmorgens fällt das schwer. Der Verfasser dieser Zeilen erwischt sich, wie er in Gedanken schon den Artikel verfasst oder abschweift. Doch immer wieder, wenn auch nur für kurze Momente, erlebe er das Gefühl tiefer Ruhe. Irgendwann ertönt zum zweiten Mal der Gong. Nun ist die Kirche sanft erleuchtet vom ersten Tageslicht.
Ein Angebot nur für Männer
Nach der Meditation gibt’s Kaffee und Gipfeli. Die sieben Männer, die an diesem Morgen teilnehmen, sind alle um die 60 und nehmen schon lange regelmässig an der Morgenmeditation teil. Seit sechs Jahren gibt es diese in variierender Gestalt und Zusammensetzung. Sie alle empfinden dieses Ritual als wertvollen Moment der Einkehr – ein spirituelles Erlebnis. Diese halbe Stunde der Stille unterbricht den Alltag, bevor das Gewohnte weitergeht.
Wichtig ist ihnen, dass an dieser Meditation nur Männer teilnehmen. Spirituelle Angebote seien meistens stärker von Frauen besucht. In ihrer Erfahrung falle es Männern jedoch oft schwer, sich auf solche Angebote einzulassen. Dies falle leichter, wenn es sich um eine reine Männergruppe handelt.
Draussen erwacht die Welt
Es gab in Bern bereits eine Gruppe für Frauenrituale. Es lag somit nahe, ebenfalls ein Angebot für Männer anzureissen, sagt Antonio Albanello, der das Projekt seinerzeit vorgeschlagen hat. Und es funktioniert. Seit vielen Jahren wird die Gruppe rege besucht und die Männer schätzen diese Momente unter sich.
Eine Weile verweilen sie im Gespräch zusammen, dann geht jeder seines Weges. Es ist hell draussen. Die Welt ist erwacht und die Menschen eilen über den Bahnhofsvorplatz. Die erlebte Stille hallt noch leise in einem nach, während die Ruhe längst dem lärmigen Treiben des Tages gewichen ist.
Die nächste Männer-Meditation ist am Mittwoch, 7. Dezember, um 7.00 in der Offenen Kirche Bern.
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