Der katholische Bischof von El Paso, Texas, Mark Seitz kniet zu Ehren des getöteten Afroamerikaners George Floyd an einer Kundgebung gegen Rassismus. Er wurde dafür von Papst Franziskus gelobt. Foto: Fernie Ceniceros/Diözese El Paso
Why is Jesus white?
Wieso ist Jesus weiss? Antirassismus-Proteste auch in der Schweiz
Warum ist Jesus weiss? Und wo sind die schwarzen Engel? Diese Fragen stellte sich der Box-Champion Muhammad Ali bereits als Kind, wie er in einem Interview in London 1971 erzählte. Was Ali auf humorvolle Weise formulierte, hat tiefere Hintergründe. Der Kampf gegen den strukturellen Rassismus in den USA dauert bereits mehrere hundert Jahre. Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd am 25. Mai 2020 durch Polizisten haben die antirassistischen Protestbewegungen eine bisher unerreichte Dimension erreicht und sind auch in der Schweiz angekommen.
Von Eveline Sagna und Andrea Meier
Das Engagement der Kirchen in Bern gegen Rassismus hat bereits Tradition. Denn seit einigen Jahren setzen sich Pfarreien und Missionen regelmässig im Rahmen der Aktionswoche gegen Rassismus gegen Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit ein. Kirchen in Bern gegen Rassismus – das soll nicht nur ein Schlagwort der Aktionswoche sein, sondern auch jetzt zum Ausdruck kommen, wo das Thema auf tragische Weise so grosse Dringlichkeit erreicht hat.
Denn spätestens nach der Foto-Aktion des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, bei der er mit einer Bibel vor der historischen St. John’s-Kirche posiert, distanzieren sich in den USA und weltweit auch immer mehr katholische Kirchenführer öffentlich von ihm.
Rassismus zu Corona-Zeiten
Covid-19, Arbeitslosigkeit, Polizeigewalt – keine Gruppe ist davon in den USA so stark betroffen wie Afroamerikaner*innen. «Die Corona-Pandemie widerspiegelt die sozialen und ethnisch bedingten Ungleichheiten» berichtete bereits im April die Epidemiologin Sharelle Barber. Obwohl bekannt ist, dass Gesundheitszustand und Zugang zur Gesundheitsversorgung in den USA auch eine Frage der Hautfarbe sind, schockieren die Corona-Opferzahlen die Expert*innen. Afroamerikaner*innen machen klar die grösste Gruppe der Corona-Todesopfer aus und sind somit proportional am stärksten von der Pandemie betroffen.
Und wie sieht es in der Schweiz aus? Ende April hat die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus einen Auswertungsbericht zur Beratungspraxis veröffentlicht. Es wird von einer Zunahme von rassistischen Vorfällen von 27 Prozent berichtet, wobei es sich dabei lediglich um jene Fälle handelt, die an die Beratungsstellen herangetragen wurden.
Die Dunkelziffer der nicht gemeldeten Diskriminierungen wird als hoch eingeschätzt. Am häufigsten wird rassistische Diskriminierung im öffentlichen Raum und am Arbeitsplatz gemeldet. Meist handelt es sich um Benachteiligung und Beschimpfung. Die Wissenschaftlerin Jovita dos Santos Pinto stellt fest: «Für öffentliche Übergriffe, Verleumdungen, Beschimpfungen, gibt es eine mittlerweile grössere Aufmerksamkeit.» Aber: «Die Schweiz tut sich schwer damit, Rassismus anzuerkennen. In der Schweiz gibt es ein prägendes Sonderstellungsnarrativ, wonach die Schweiz weder mit Kolonialismus, Sklavenhandel, dem Faschismus oder der Schoah etwas zu tun hatte.»
Rassismus als Virus
Anlässlich des Internationalen Tags gegen Rassismus hätte am 21. März in der Heiliggeistkirche in Bern das Festival der Kulturen stattgefunden. Aufgrund der Corona-Pandemie musste die Veranstaltung mit Künstler*innen aus Bern und der ganzen Welt schliesslich abgesagt werden. Nur die Ausstellung konnte realisiert werden und ist noch bis im Sommer in der Heiliggeistkirche zu sehen.
Gerade um in Corona-Zeiten auf Fremdenfeindlichkeit aufmerksam zu machen, riefen die Organisatoren die verschiedenen Künstler*innen und beteiligten Gruppen dazu auf, den Slogan «Rassismus ist auch ein Virus!» kreativ in Szene zu setzen. Die Plakate werden Mitte Juni in der Stadt Bern zu sehen sein.
«Rassismus ist auch ein Virus!» - Fast unbemerkt wie ein Virus setzen sich auch Vorurteile und Stereotypen in unseren Köpfen fest. Wie bei einer Pandemie gilt es sich selbst und seine Mitmenschen vor rassistischem Gedankengut zu schützen. Dies gelingt uns nur, wenn wir gesellschaftsübergreifend Massnahmen zur Bekämpfung des «Virus Rassismus» umsetzen. Gemeinsam sind wir solidarisch. Auch mit dieser «Risikogruppe».
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