Papst Franzikus und Papst emeritus Benedikt XVI. Foto: KNA
Wieder mischt sich der Ex-Papst in die Kirchenpolitik ein
Ein Buch des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zum Zölibat sorgt für Aufsehen.
Vom «Krieg der Päpste» spricht die «Bild-Zeitung», die «FAZ» schreibt, der «Geist der Kirchenspaltung» sei aus der Flasche. Ein Buch des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zum Zölibat sorgt für Aufsehen.
Ludwig Ring-Eifel, kna
Fast genau sieben Jahre nach seiner historischen Rücktrittsankündigung hat Benedikt XVI. abermals weltweit für Schlagzeilen gesorgt. In einem gemeinsamen Buch mit dem westafrikanischen Kurienkardinal Robert Sarah meldet sich der ehemalige Papst aus seinem selbstgewählten Ruhestands-Exil in den vatikanischen Gärten zu Wort.
Schweigen nicht zum ersten Mal gebrochen
Das Thema lässt vor allem deshalb aufhorchen, weil es zuletzt im Mittelpunkt innerkirchlicher Reformkontroversen stand: Es geht um das Reizthema Zölibat. Benedikt XVI. und Sarah verteidigen in ihrem Buch die etwa 1000 Jahre alte kirchenrechtliche Vorschrift der Ehelosigkeit für Priester in der römisch-katholischen Kirche gegen neue Forderungen, sie zu lockern oder ganz abzuschaffen.
Es ist nicht das erste Mal, dass er sein selbst gelobtes Schweigen bricht. Schon im Vorjahr hatte er sich einige Male mit Beiträgen zu aktuellen kirchlichen Fragen zurückgemeldet. Viel Kritik handelte sich der 92-Jährige ein, als er im April 2019 einen Aufsatz über den Skandal um den sexuellen Missbrauch im Klerus schrieb und die Hauptschuld an der Ausbreitung dieses Übels in einem Zusammenbruch der katholischen Sexualmoral und in den Auswirkungen der Kulturrevolution von 1968 verortete. Doch der Artikel damals wurde überwiegend nur kirchenintern wahrgenommen.
Affront gegen Nachfolger
Anders diesmal: In deutschen Medienkommentaren wurde der Zölibats-Vorstoss als Affront gegen den Nachfolger Franziskus gewertet, der in Kürze über mögliche Ausnahmegenehmigungen beim Zölibat entscheiden will. Im Oktober hatte im Vatikan eine Sondersynode der Bischöfe für die Amazonas-Region mit Zweidrittelmehrheit dafür votiert, für seelsorgerische Notstandsgebiete Ausnahmen vom Zölibat zuzulassen.
Die Umsetzung dieser Beschlüsse in ein richtungsweisendes Papstdokument wird für die kommenden Wochen erwartet. Angesichts dieser Situation schreibt die FAZ, Benedikt XVI. falle mit seinen Äusserungen Papst Franziskus offen in den Rücken, und folgert: «Damit ist der Geist der Kirchenspaltung aus der Flasche.» Und die «Bild»-Zeitung titelt gar von einem «Krieg der Päpste».
Vatikan erinnert an päpstliche Aussagen
Ganz anders deutet es die französische Zeitung «Le Figaro», der das neue Buch als erster vorlag. Dort fragt der Vatikan-Experte Jean-Marie Guenois: «Wie werden diese Stellungnahmen von Papst Franziskus aufgenommen werden? Kann er dem emeritierten Papst genauso die Kalte Schulter zeigen wie den konservativen Kardinälen, die öffentlich Zweifel an seiner Lehre äusserten?»
Im Vatikan bemüht man sich um Schadensbegrenzung. In einer Stellungnahme, die den Alt-Papst nicht erwähnt, erinnert Pressesprecher Matteo Bruni daran, dass sich Papst Franziskus noch vor knapp einem Jahr öffentlich klar gegen eine Abschaffung der Zölibatsvorschrift ausgesprochen und nur Ausnahmen in extremen Sondersituationen angedeutet hatte. Zwischen den Zeilen bedeutete das Vatikan-Statement: Es gibt keinen Affront, weil der ehemalige und der amtierende Papst in dieser Sache weitgehend einer Meinung sind.
Gebrechlicher Benedikt ist leichte Beute
Doch abgesehen von den Positionen in der Sache offenbart der jüngste Vorstoss des Ex-Papstes ein Problem neuer Art. Benedikt XVI. ist, wie unlängst ein Dokumentarfilm des Bayerischen Fernsehens auf erschütternde Weise zeigte, kaum noch in der Lage, verstehbar zu sprechen oder einer längeren Unterhaltung zu folgen. In dieser Verfassung kann er leichte Beute für jene werden, die ihn in aktuellen Debatten für ihre Agenda in Stellung bringen wollen.
Es fällt auf, dass diesmal – anders als bei früheren Äusserungen des Alt-Papstes – keine Rede davon war, dass die Veröffentlichung des Textes mit dem Nachfolger abgestimmt sei. Neu ist auch, dass der frühere Papst mit einem Kardinal der konservativen Linie gemeinsam als Autor auftritt – wenn auch eine längere Passage des Buches noch von Benedikt XVI. allein verfasst worden sein soll.
Weiss er, was er anrichtet?
Die Kernaussage des Buches und die Absicht, sich mit allerletzter Kraft einer «zeitgeistigen» Modernisierung des Priestertums entgegenzustemmen, dürfte zwar dem Denken Benedikt XVI. entsprechen. Weniger klar ist, ob er noch überblickt, welche Verwerfungen er damit in den innerkirchlichen Debatten auslöst. Seine konservativen Mitstreiter wissen das sehr wohl.