Wir leben auf der Erde und wir leben aus der Erde, das spiegelt uns dieses Bild des Erdlings (und ist er noch so klein): Wir essen, was aus der Erde wächst. Foto: margie / photocase.de

Wir leben von dem, was auf dem Ackerboden wächst

08.03.2017

Erddinge und Erdlinge - ein Gastbeitrag von Lenz Kirchhofer, christkatholischer Pfarrer und Redaktor

«Land muss dem Leben dienen und nicht dem Profit» ist die zentrale Aussage der ökumenischen Kampagne zur diesjährigen Fastenzeit. Lenz Kirchhofer, christkatholischer Pfarrer und Redaktor, macht sich in unserem Gastbeitrag Gedanken dazu über Erdlinge und Erddinge:

Auf meinem Schreibtisch steht ein Blumentopf mit einer «Yucca elephantipes», zu Deutsch «Elefantenfuss-Palme». Die wächst da aus der Erde. Etwas Licht braucht sie auch, deswegen steht sie in der Nähe des Fensters. Und solange ich sie richtig giesse, gedeiht sie. Gebe ich ihr aber zu wenig Wasser, so verdorrt sie, gebe ich ihr zu viel, fault sie von unten her.
Erst würden dann vielleicht noch allerlei Insekten aus der Erde schlüpfen. Möglicherweise würden kleine Pilze spriessen und die Erde finge an nach Sumpf zu müffeln. Es ist beeindruckend, dass ein Haufen einfache Erde Grundlage für so viel verschiedenes Leben sein kann.

Stellen wir uns nun einmal vor, aus der Erde würde ein kleiner Mensch schlüpfen, ein kleines Erdmenschlein sozusagen. Ich wäre wohl sehr überrascht. Ich erschrak nämlich schon, als mir aus einer anderen Erde, die ich eben etwas zu viel gegossen hatte, plötzlich ein Schwarm Mücken entgegenflog. Ich bin weder Frankenstein noch Prometheus, noch will ich wie Rabbi Löw einen Golem schaffen. Aber ich bin ein Mensch.

Das Menschlein also hat genug getrunken und genug Nährstoffe aus der Erde aufgenommen, das Klima stimmt, Gott haucht ihm seinen Segen ein und – schwups – windet es sich aus dem Staub und steht auf. Etwa so könnte man sich die Erschaffung des Menschen, wie sie in Genesis 2 beschrieben ist, vorstellen. Dort wird der Mensch aus dem Ackerboden heraus geschaffen. Die hebräischen Worte für Mensch und für Ackerboden sind beinahe identisch. «Adam» heisst Mensch, «Adamah» ist das Wort für den Ackerboden.
Wir leben auf der Erde und wir leben aus der Erde, das spiegelt uns dieses biblische Bild des Adam, des Erdlings: Wir essen, was aus der Erde wächst – vielleicht auch, was auf ihr lebt. Wir wohnen in Häusern aus Stein, Sand, Holz oder Stahl; alles Dinge, die der Erde entstammen. Und auch wenn wir einmal nicht mehr sind, gehen wir in die Erde zurück – Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub – Sie kennen das. Wir brauchen die Erde, vom ersten bis zum letzten Atemzug, das macht uns zu «Erdlingen»!

Schade aber, dass einige Erdlinge den anderen wegen gewisser Erddinge immer wieder den Erdboden streitig machen. Auf den Äckern, die sie an sich reissen, wachsen dann Zellulose, Soja oder Ölpalmen. Deren Anbau bringt wenigen Erdlingen – Investoren genannt – Gewinn. Vielen anderen Erdlingen aber – den Menschen, die auf und von diesen Äckern leben – wird damit allerdings buchstäblich der Boden unter den Füssen weggezogen. Sie verlieren ihr Feld, auf dem sie ihre Nahrung angepflanzt haben. Ihnen wird buchstäblich Land und Wasser abgegraben. Dem «Adam» wird also seine Lebensgrundlage, die «Adamah», entzogen. So wird sich der Mensch schliesslich selbst zum Feind – Homo homini lupus.
Dabei gibt uns gerade der biblische Text auch hier einen Fingerzeig. «Bewahren und bebauen» (Gen 2,16) sollen wir die Erde, das ist der Auftrag, den Gott uns gibt. Die Erde zu schützen und zu nutzen, das ist unsere Verantwortung. Im Gegensatz zu vielen der von Land Grabbing direkt betroffenen Menschen weltweit spüren wir die Abhängigkeit vom Ackerboden vielleicht nicht mehr so unmittelbar. Denn die meisten von uns können sich die tägliche Nahrung im Supermarkt kaufen. Aber auch für uns gilt: Wir leben von dem, was auf dem Ackerboden wächst.

Es liegt im Interesse von uns allen, dass jedem Erdling der Zugang zum Erdboden, aus dem er spriessen kann, erhalten bleibt. Denn wie die Zimmerpflanze auch, braucht der Erdling Boden zum Leben. Und wie auch die Zimmerpflanze genug, aber nicht zu viel Wasser braucht, braucht der Mensch Pflege, um zu gedeihen. Das erfordert Vernunft, aber auch Einfühlungsvermögen. Nur so können wir überhaupt Mensch sein, Krone der Schöpfung und getreues Abbild dessen, der uns als Erdlinge wie ein Töpfer aus Erde geformt hat. Der wollte, dass wir es im gleichtun und einem jeden Wesen, das uns auf dieser Erde anvertraut ist, seinen Platz zum Leben schenken undbewahren. Wir sollten deshalb unsere Erde schützen und sie so nutzen, dass wir alle davon leben können. Indem wir nach dem Bild des Adam der Bibel die Adamah zum Wohlaller Erdlinge bewirtschaften.

Lenz Kirchhofer,
Christkatholischer Pfarrer, Aarau. Redaktor «Christkatholisch», Mitglied der Redaktion «zVisite»