Die Preisträger des 1. Dialogpreises der Schweizer Juden v.l.n.r.: Imam Muris Begovic, der protestantische Diakon Maurice Gardiol und Rabbiner Noam Hertig, sowie und der jüdische Vorbeter Eric Ackermann. Foto: Christoph Knoch

«Wir müssen uns auf Augenhöhe begegnen»

30.05.2018

Rabbiner, Imam und Diakon erhalten den Dialogpreis des Israelitischen Gemeindebundes und der Liberalen Juden Schweiz.

Erstmals haben der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) und die Plattform der Liberalen Juden Schweiz (PLJS) am 29. Mai den Dialogpreis verliehen für die Förderung des interreligösen Gesprächs. In der Deutschschweiz geht der mit zweimal 10'000 Franken dotierte Preis an Rabbiner Noam Hertig und Imam Muris Begovic aus Zürich, in der Romandie an den protestantischen Diakon Maurice Gardiol und den jüdischen Vorbeter Eric Ackermann aus Genf.


Vielfalt war an diesem Abend Programm

Bereits den Einstieg bot das Trio Pauwau mit einem musikalischen Dialog aus Ländler, orientalischen Tönen und Klezmer, gespielt auf Handorgel, Klarinette und Bass. Der Name Pauwau stammt aus dem Indianischen und steht für die Begegnung der verschiedenen Kulturen und Religionen. Auch Noemi Gradwohl, Kulturredaktorin des Schweizer Fernsehens SRF, begrüsste die rund 350 geladenen Gäste in den Landessprachen sowie mit den Worten «Sala’am» und «Schalom».

Bischöfe und Pfarrer sassen neben Imamen und Rabbinern. SIG-Präsident Herbert Winter begrüsste die Vertreter von Religions- und Kulturgemeinschaften, Kirchen, Kantonen und Bund. «Was eine Stärke durch die kulturelle Vielfalt ist, ist auch eine Herausforderung.» Dialog sei der Weg, um Gegensätze und Unwissen zu überwinden, und eine persönliche Begegnung könne alles verändern. «Wechselseitiger Respekt und Dialog sind nötig und unverzichtbar für ein friedliches Zusammenleben,» sagte Winter weiter. Dazu gehöre, neben Gemeinsamkeiten auch Gegensätze zu verstehen. «Wir müssen uns auf Augenhöhe begegnen.»


Lob des Bundespräsidenten

«Die Geschichte der Juden in der Schweiz war lange eine Zeit der Ausgrenzung,» hielt Bundespräsident Alain Berset in seiner Rede fest. Er erinnerte an die rechtliche Emanzipation der Juden im Jahr 1866 als Schritt der Schweiz zum Land, das seine Minderheiten mit Respekt begegnet, nicht nur mit Toleranz. Die Stellung der Minderheiten sei stets eine Messlatte der Demokratie. «Wir sind ein Land, dessen Stärke in dessen Verschiedenheit liegt.» Friedliches Zusammenleben müsse immer wieder erarbeitet werden. «Wir sind zum Glück eines der kompliziertesten Länder der Welt. Die Schweiz ist stabil, weil die Gefahr der Instabilität gross ist.»

Er verwies aber auch auf die Gefahren, die im Internet und den Sozialen Medien lauern, wo sich Gerüchte, Lügen und Hassbotschaften leicht verbreiten, die wiederum Fremdenhass und Antisemitismus schüren. «Wir dürfen nicht aufhören, die Aufklärung weiterzuführen,» sagte Berset weiter, «und um aufzuklären braucht man erst einmal Dialog als wirksamstes Mittel gegen Vorurteile.»

Dabei fand er auch lobende Worte für das SIG-Dialogprojekt «Likrat», in dem jüdische Jugendliche bisher rund 2000 Kinder in Schulklassen besucht haben, und das in einem Kurzfilm im Bierhübeli vorgestellt wurde. Inzwischen hat «Likrat» Ableger in Deutschland, Österreich und Moldawien gefunden und stösst auch in der Tourismusbranche auf Interesse.

«Wir bauen Brücken»

Die beiden Deutschschweizer Preisträger, Rabbiner Noam Hertig und Imam Muris Begovic, fördern in Zürich seit Jahren den muslimisch-jüdischen Dialog. Laudator und FDP-Nationalrat Beat Walti, Co-Präsident der Parlamentarischen Gruppe gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, unterstrich, dass der Dialog eine Gesellschaft forme und ein wirksames Mittel gegen Rassismus und Antisemitismus biete.
Hertig gilt laut Walti als «Dialog»-Rabbiner, leitete das Projekt des interreligiösen Kochbuchs «Was isst Religion?» und war während einiger Jahre für die SRF-Sendung «Bilder zum Feiertag» als «jüdischer Reporter» bei anderen Religionen zu Gast.

Begovic vertritt unter anderem den muslimischen Dachverband der Schweiz FIDS und ist zuständig für den interreligiösen Dialog. Sportlich engagiert er sich beim FC Religionen, wo Juden, Christen und Muslime zusammen spielen. «Für beiden jungen Geistlichen bedeutet der Dialog mehr als ein beruflicher Austausch,» schloss Walti. Auch öffentlich hätten sie sich beim Projekt «Respect» des National Coalition Building Institute (NCBI) engagiert. «Diesen Preis haben Sie sich wahrlich verdient.» Begovic beschrieb sich und Hertig in einer kurzen Replik als «Architekten, die Brücken bauen, die Menschen verbinden». Laut Hertig kann eine Religionsgemeinschaft einen wichtigen Beitrag zum Dialog in der Gesellschaft leisten.

Für ihre Arbeit in der interreligiösen Plattform Genf erhielten der protestantische Diakon Maurice Gardiol und der jüdische Vorbeter Eric Ackermann den Preis. Sie fördern den Dialog zwischen jüdischen Studenten und nichtjüdischen Gleichaltrigen durch Klassenbesuche und unterrichten an der Genfer Schule für Soziale Arbeit über die Bedeutung von Religion und Spritualität. Im Namen der Schweizer Jüdinnen und Juden gratulierte Jean-Marc Brunschwig, Co-Präsident der PLJS, den Preisträgern.

Die Preisverleihung fand während des muslimischen Fastenmonats Ramadan statt, und so beendeten die Veranstalter zu fortgeschrittener Stunde den Abend mit einem gemeinsamen Fastenbrechen von Muslimen, Juden und Christen.

Hannah Einhaus