Der reformierte Pfarrer Stefan Schwarz (r) segnet die Tiere nicht einzeln, sondern begrüsst sie und ihre Besitzer:innen. Foto: zVg
Wo auch Dackel mitsingen
Tiere ziehen in Berner Kirchen ein.
Wuff, wau, wow: Auch ich bin dabei! An einigen Orten sind Hunde in Gottesdiensten ausdrücklich eingeladen – und nun werden auch noch Tiere gesegnet: Tiere ziehen ein in Berner Kirchen. Sind diese so verzweifelt, dass sie zu tierischen Massnahmen greifen?
Von Marcel Friedli
«Ich kann leider nicht dabei sein. Ich muss mit meinem Hund spazieren gehen.» Diese Ausrede, um dem Gottesdienst fernzubleiben, gilt in Rüegsau im Emmental nicht: Denn dort sind nicht nur Zweibeiner willkommen – sondern auch ihre Vierbeiner.
Hie und da ausdrücklich: mit Gottesdiensten, in denen die felligen Gefährten auch thematisch im Zentrum stehen. «Manchen Menschen», sagt Pfarrer Stefan Schwarz, «ersetzt der Hund den Therapeuten: Er kann oft besser zuhören und trösten als ein Mensch.»
An einem Hündeler-Gottesdienst ist alles wie sonst. Ausser dass zum Singen alle sitzen bleiben. «Damit die Hunde nicht meinen», sagt Pfarrer Stefan Schwarz, «es gehe nun nach Hause.» Hirtenhündin, Malteser, Zwerg- oder Riesenpudel, Husky, Berner Senn, Eurasier oder Spaniel sowie die grossen und kleinen Mischlinge jeglicher Couleur: Die Hunde hören andächtig zu, machen keinen Mucks.
Gefragte Ideen
Für diesen Gottesdienst mit spezieller Thematik reisen einige von weit an. Trotzdem ist er nicht überlaufen: Etwa dreissig Personen sind dabei. «Nicht mehr als sonst», sagt der reformierte Pfarrer Stefan Schwarz, «aber andere. Ein anderes Zielpublikum.»
Immer wieder andere Leute anzusprechen, sei mittlerweile nötig, wie er weiter sagt: mal die Kinder, mal mit einem spezifischen Thema wie Blumen, mal die Eltern, Jugendlichen oder Seniorinnen und Senioren. «Sonst lockt man die Menschen kaum noch in die Kirchen. Es braucht Ideen, um auch Kirchenferne anzusprechen.»
Sie ansprechen über den Bezug zum Alltag, zum eigenen Leben. Wie eben dann, wenn sich alles um Hunde dreht. «Sie sind spirituelle Lehrer», findet Stefan Schwarz, der früher selber Hunde hatte und nun eine Katze hat. «Hunde öffnen den Menschen das Herz. Sie sehen die Natur dann mit anderen Augen. Entdecken Dinge, an denen sie sonst vorbeihetzen würden. Sie bewegen sich und verlangsamen ihr Leben – sie gewinnen einen neuen Blick für die Vielfalt des Lebens.»
Logisch: Beim Schlusssegen bezieht Pfarrer Stefan Schwarz auch die Hunde ein.
Tierische Vielfalt
Pfarrer Nicolas Betticher wird Anfang Oktober (siehe Kasten unten) in der katholischen Pfarrei Bern Bruder Klaus jedem einzelnen Tier die Hand auflegen und es segnen. Nicht nur Hunde werden vor Ort sein – auch Katzen, Pferde, Schafe, Lamas. «Ein paar von ihnen», räumt Nicolas Betticher schmunzelnd ein, «haben wir organisiert, um für Vielfalt zu sorgen.»
Der Pfarrer gibt auch zu: «Wir probieren Neues aus, um Leute zu gewinnen – sie im Leben abzuholen, bei ihrer Sehnsucht. Diese Sehnsucht hat viel mit Beziehung zu tun. Und viele Menschen pflegen eine intensive Beziehung zu ihren Tieren, die einen zentralen Platz in ihrem Leben einnehmen.»
Darum sind in Bern Bruder Klaus auch in jeder Messe Hunde willkommen: drei sind Stammgäste. «Sie vertragen sich gut, sorgen für Auflockerung und verbreiten Freude», sagt Nicolas Betticher, der selber zehn Jahre einen Hund hatte und aus Zeitgründen nun ohne Hund unterwegs ist. «Einer der Hunde, ein Dackel, singt jeweils mit.»
Am 2. Oktober sind nicht nur Hunde vor Ort – dann ist quasi die ganze Arche Noah versammelt. «Zum Glück ohne vorherige Sintflut!»
Tiere im Fokus
Am 2. Oktober, 11 Uhr, werden in Bern Bruder Klaus im Anschluss an die Messe Tiere gesegnet. In der Messe steht Franziskus von Assisi im Zentrum, der mit den Tieren als Teil der Schöpfung besonders verbunden war.
Die Tiersegnungen in Bern Bruder Klaus sind in einen Reigen verwoben, bei dem Rituale wiederbelebt werden: So werden traditionelle Segen wieder erteilt. Und zu Beginn des Schuljahres ist ein entsprechender Segen gesprochen worden.
Der Hündeler-Gottesdienst in Rüegsau war eine Première. Nächstes Jahr soll es zu einer Neuauflage kommen – wenn es wieder warm ist und man den Gottesdienst im Freien feiern kann.