Düster inszenierte Metal-Bands thematisieren existenzielle Fragen und Grenzerfahrungen im Leben. Foto: eisa.ch

Würde der Teufel Metal hören?

30.10.2022

«Satanistische» Symbole in der Musik

Heavy Metal gilt als laut und «böse». Doch wieso eigentlich? Was steckt hinter den vermeintlich «satanistischen» Symbolen, die im Metal verwendet werden?

von Anna-Katharina Höpflinger*

Graubünden in den 1980er Jahren: Eine Mitschülerin drückt mir einen grauen Ordner in die Hand. Darin werden Musikgruppen vorgestellt, die allesamt (vermeintlich) satanistisch oder okkult seien. Von den Beatles bis zur Metal-Band Iron Maiden sind Musiker:innen aller möglichen Stilrichtungen drin. Dabei wird etwa (zu Unrecht) behauptet, der Name der australischen Band AC/DC sei ein Kürzel von «Anti-Christ/Death-of-Christ» oder Led Zeppelin hätten Rückwärtsbotschaften auf ihre LPs geschmuggelt, die die Hörenden unbewusst beeinflussen würden.

Moralischer Aufruf gegen «böse» Musik

Dieser Ordner, der es bis nach Graubünden geschafft hatte, war Teil einer Panik, die populäre Musik unter anderem mit Teufelsanbetung konnotierte. Diese moralische Bewegung war in den USA entstanden und schlug ein wie eine Bombe. Beispielsweise gründeten 1985 vier prominente Politikergattinnen, darunter die damalige Senatorsfrau Tipper Gore, das «Parents Music Resource Center» (PMRC). Es sollte Eltern und die Öffentlichkeit über die problematischen Seiten von populärer Musik aufklären.

Das PMRC gab auch eine Liste mit den angeblich schlimmsten Songs heraus: die «filthy fifteen», die «schmutzigen 15». Sie würden zu ungehemmtem Sex und Drogenkonsum aufrufen. Darunter waren auch zwei Lieder, die Jugendliche gemäss PMRC in den Okkultismus führen würden.

Im Zuge dieser Bewegung erschienen Filme und Bücher, die vor satanistischer und okkulter Musik warnten – wie auch jener graue Ordner. Als in den 1990er Jahren Black Metal-Musiker – Black Metal ist ein Untergenre von Metal – in Norwegen Kirchen anzündeten und Morde begingen, erhitzte sich die Debatten weiter.

Metal als Ganzes wurde in der Folge vielfach als satanistische Musikrichtung betitelt. Die Gestaltung der Albumcover mit verkehrten Kreuzen, Totenköpfen, gespenstischen Burgruinen oder dämonischen Figuren verstärkte diese Idee.

Faszination für das Düstere

Auch wenn die Panik rund um Metal längst abgeflaut ist, hallen solche Vorstellungen nach. Immer wieder wird auch heute noch gefragt, ob die düstere Inszenierung im Metal theatralisch oder ernst gemeint sei. Ein solches Entweder-Oder ist zu simpel. Es gibt durchaus Bands, die sich dem Satanismus zuordnen. Genauso wie es Musikgruppen gibt, die sich als christlich betrachten.

Die meisten Metal-Fans glauben aber nicht an den Teufel und führen auch keine okkulten Rituale durch. Die Verwendung der düsteren Symbole ist anders zu erklären: Metal thematisiert Bereiche des Lebens, die für Menschen unkontrollierbar sind, beispielsweise den Tod, starke Emotionen, Krieg, Hass oder Grenzerfahrungen mit sich und der Welt.

Symbolischer Umgang mit dem Abgründigen

Diese unkontrollierbaren Bereiche tangieren existentielle Fragen des Lebens. Sie gehören damit traditionellerweise in den Zuständigkeitsbereich der Religionen: Fragen im Hinblick auf den Tod, das Jenseits oder das Böse sind Kernelemente einer religiösen Beschäftigung mit der Welt. Religionen stellen deshalb noch heute die Symbole im Umgang mit solchen unkontrollierbaren Bereichen zur Verfügung.

Im Metal werden diese Symbole, etwa der Teufel oder Memento Mori-Motive, übernommen, in neue Kontexte gestellt und manchmal verfremdet. Wie dies geschieht und was es für die Bands und Fans genau bedeutet, ist je nach Genre und Gruppe sehr unterschiedlich. Aber ihre Funktion – eben der Verweis auf existentielle Fragen – bleibt oft erhalten. Metal stellt, wie Religionen, auch Fragen nach den schwierigen und dunklen Teilen des Lebens, nur eben in einer anderen Form.

 

* PD Dr. Anna-Katharina Höpflinger hat in Zürich Religionswissenschaft studiert und dort auch promoviert. Seit 2016 forscht und lehrt sie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören unter anderem Kleidung und Religion, Heavy Metal und Religion, Religion und Visualität sowie Religion und Gender.