Freizeitgärtnerinnen bei der Arbeit. Foto: Vera Rüttimann
«Zusammen fägt es einfach mehr»
Im Gemeinschaftsgarten des Vereins «Food for Souls»
Auf dem Areal des ehemaligen Zieglerspitals in Bern bewirtschaftet der Verein «Food for Souls» einen Permakultur-Gemeinschaftsgarten. Hier geht es nicht nur um das nachhaltige Essen und Gärtnern, sondern auch um das Teilen der Gedanken und Ernteerträge.
von Vera Rüttimann
Goldgelb leuchtet die Abendsonne über dem Gewächshaus an der Berner Morillonstrasse 77. Es befindet sich hinter Hecken. In den Töpfen und Schalen wachsen verschiedenste Kräuter und Gemüse. Heute herrschen hier drin über 30 Grad. Es dampft, wenn gegossen wird.
Im angrenzenden kühlen „Grotto“, einem Werkstattraum, sitzen die Freizeitgärtner:innen beim Salat. Bei jedem Essen ist etwas selbst Angepflanztes dabei. Die Gärtner:innen befinden sich auf dem Areal des ehemaligen Zieglerspitals. Vor sechs Jahren entstand hier das Gartenprojekt «Food for Souls».
Alle für alle
Nach dem Essen geht es ins Grüne. Neben dem Gewächshaus gibt es einen Ateliergarten und einen Wiesengarten mit mehreren Beeten. Tief gebeugt wird gehäckelt, geschnitten und gejätet. Hier wachsen diverse Obst- und Gemüsesorten.
Unter den vier Personen ist auch Melanie Dettling. Da die 32-Jährige keinen eigenen Garten hat, suchte sie im Netz nach Schrebergärten. Und stiess auf «Food for Souls». Schon der Name, sagt sie, habe sie neugierig gemacht. Seit drei Jahren steht sie mit den anderen zwischen den Stauden. Die Beete, die sie bepflanzt, gehören ihr nicht. Sie schätzt es, dass alle für alle säen, ernten und giessen. Freundschaften seien entstanden. «Mittlerweile finde ich es cooler, als allein für mich zu gärtnern. Zusammen «fägt» es einfach mehr.»
«Alles bleibt im Kreislauf»
In den Beeten sind viele verschiedene Pflanzen zu sehen. «Food for Souls» ist ein Permakultur-Garten. Annette Bretscher ist seit einem Jahr regelmässig hier. Sie ist begeistert von diesem Garten. «Es geht darum, viele Kreisläufe der Natur zu nutzen. Alles Jät-und Schnittgut kommt bei uns auf den Kompost und wird wiederverwertet», erläutert die Bernerin. Die meisten Stellen im Garten sind mit Grasschnitt überdeckt. «Das Gras wird als Mulch verwendet und hält die Feuchtigkeit im Boden», weiss die 39-Jährige.
Im Garten riecht es betörend nach frischem Thymian und Minze. Annette Bretscher liebt diesen Geruch, der von den mit viel Liebe – und ohne künstlichen Dünger – angebauten Pflanzen kommt. Ihre Motivation, sich bei «Food for Souls» zu engagieren, beschreibt die Geologin so: «Ich möchte mich immer wieder mit der ursprünglichen Natur verbinden. Dort, wo es keine Störungen durch den Menschen gibt.»
Annette Bretscher sagt über das Netzwerk, das rund um diesen Garten entstanden ist: «Ich bin in Kontakt mit vielen Leuten, die sich intensiv mit Biodiversität auseinandersetzen. Die wie ich besorgt sind, wie sehr die Vielfalt der Natur bedroht ist.» Die sich Gedanken machen, ihr Gemüse aus einer solidarischen Landwirtschaft zu beziehen. Beispielsweise mit einem Gemüse-Abo aus der Region.
Es wäre schön, so Annette Bretscher, wenn auch MigrantInnen zum Gartenprojekt dazu stossen könnten und ihr Wissen über Pflanzen und Rezepte einbringen könnten. Für neue Pflanzen sind die Freizeitgärtner:innen offen. Letztes Jahr habe man sogar eine Yacón, eine südamerikanische Knollenwurzel, ernten können.
Alles durchdringende Energie
Das Projekt «Food for Souls», das 2019 den «Berner Sozialpreis» erhalten hat, wird hier wirklich gelebt. Für Melanie Dettling bedeutet dieser Garten ein Ganzheitserlebnis: «Mit anderen im Garten zu sein, tut der Seele einfach gut.»
Auch für Annette Bretscher ist dieser Garten «Seelennahrung», in Bezug auf das Essen, «weil wir hier in der Natur gute Nahrung zu uns nehmen», aber auch, weil im Garten so gute Freundschaften gepflegt werden können. Der «Food for Souls»-Garten habe immer auch eine spirituelle Komponente: «Die Energie, die wir hier kultivieren, durchdringt alles.»
Permakultur leitet sich von «permanent agriculture» (engl. «dauerhafte Landwirtschaft») ab. Der Begriff beschreibt das Ziel: Permakultur will mithelfen, die Lebensgrundlagen der Menschen dauerhaft zu sichern: ökologisch – sozial – ökonomisch. Permakultur basiert auf drei ethischen Grundlagen: Sorge für die Erde, Sorge für die Menschen, gerecht teilen und sich einschränken. Charakteristisch für Permakultur sind: kleinräumige Landnutzung, unterschiedlich intensiv bewirtschaftete Zonen, grosse ökologische und biologische Vielfalt, Verwendung von einheimischen und fremdländischen Wild- und Kulturpflanzen sowie Tieren, mehrjährige Kulturen, dauerhafte Lösungen mit wenig Unterhalt werden bevorzugt.
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