Sommerserie 14 Teil 1

O Tannenbaum

Es ist wie das Betreten einer Postkarte. Der Weg zum Amselberg ist mit Kirschbäumen gesäumt, auf den Weiden grasen Kühe, im Garten vor dem stattlichen Berner Bauernhaus blühen Sommerblumen. Kaum zu glauben, dass wir hier noch in der Nähe der Stadt sind. Der freundliche Empfang von Landwirt Urs Mäder und seiner Partnerin Claudia Ruf passen zum ersten Eindruck: Der Amselberg ist ein wunderschönes Stück Bernbiet, das ist ein guter Ort.

Zuerst stellt Urs Mäder die geografischen Verhältnisse klar: Der Amselberg ist nicht der Dentenberg. Letzterer beginnt „e chli wyter hinge“. So gelangt man also von Gümligen her zuerst auf den Amselberg, an den beiden Bauernhöfen vorbei geht’s dann weiter Richtung Dälen und Dentenberg. Der Amselberg gehört in die politische Gemeinde Gümligen, aus praktischen Gründen ist die Postadresse jedoch jene von Worb. Voilà.
Mäders bauern hier quasi im Familienverbund: Die Eltern Fritz und Vreni Mäder sind vom Sohn Urs angestellt und arbeiten im Betrieb mit, auch Bruder und Schwester sind immer wieder auf dem Hof tätig. Im Moment ist der Bruder von Urs Mäder im ersten Stock des Bauernhauses mit Umbauen beschäftigt; die Wohnsituation wird dem Zwei-Generationen-Betrieb und zeitgemässen Anforderungen angepasst.

Ein ganz besonderer „Mitarbeiter“ auf dem Hof ist der fünfjährige Göttibub des Landwirts, er verbringt liebend gerne ganze Tage hier, füttert Tiere, hilft draussen und will stets erst nach Hause, „wenn alles fertig ist“ – nach Feierabend. Zu tun gibt es für alle stets genug, auch der Angestellte aus Ostdeutschland packt kräftig mit an. Für ihn ist der Amselberg eine ganz besondere Erfahrung. Die 24,5 ha sind überschaubar klein im Vergleich zum Betrieb, auf dem er in seiner Heimat gearbeitet hat. Auf 1500 ha mit 500 Kühen arbeiten dort 50 Angestellte, jeder hat feste Arbeitszeiten, eine ihm zugeteilte Tätigkeit und wenig Interesse für die vor- und nachgelagerten Arbeiten. Dass auf dem Amselberg Stall, Feld und Wald eine Einheit sind, die Arbeit vielfältig ist und sowohl zu den Tieren als auch zu den Produkten eine Beziehung entsteht, ist für ihn neu. Nicht selten zückt er die Handy-Kamera und schickt Bilder des Berner Bauernalltags nach Hause.

Auf dem Amselberg stehen 25 Kühe und ein Muni, die Milch wird in einem grossen Tank gelagert, alle zwei Tage von einem Lastwagen des Milchverarbeitungsbetriebs Emmi abgeholt und nach Ostermundigen gebracht. Die Zeit der gemütlichen Fährtli in die Käserei ist hier schon lange vorbei… Auf den Feldern wird Getreide angebaut, zum Hof gehört auch Wald und als wichtiger Erwerbszweig des Betriebs eine Tannenbaum-Kultur. Der Grossvater von Urs Mäder hat sie aufgebaut, der Enkel, der nebst der Ausbildung zum Meister-Landwirt auch gelernter Landschaftsgärtner ist, führt sie engagiert weiter. Wenn er von seinen Tannenbäumen erzählt, wird rasch klar, dass es für diese aufwändige Arbeit viel Geduld braucht. Jährlich verkaufen Mäders 1500 Bäume in jeder Grösse, seien dies ausladende Nordmanns-Tannen für Kirchen oder 40cm hohe Tännchen für kleine Wohnungen. Viele Käuferinnen und Käufer kommen gerne direkt auf den Hof, wählen dort ein Bäumchen ein, lassen es in ein Netz packen und freuen sich, die Herkunft des Weihnachtsbaums genau zu kennen. Verkauft wird auch in Worb und im Berner Quartier Wittigkofen. Für die Zucht der Bäume werden drei- bis vierjährige Setzlinge gekauft, die dann während sechs bis acht Jahren aufgezogen werden. Da ist viel Handarbeit dabei: Weil alle am liebsten schön symmetrische Bäume in die Stube stellen, werden die Äste mit Draht in die gewünschte Richtung gebracht. Der Boden muss gedüngt werden, Gras und Gjät werden regelmässig gemäht. Der Gedanke, dass wir jeweils für ein paar Tage einen Baum kaufen, der während Jahren in Form und Grösse gebracht wurde, hat‘s in sich… Ein weiteres Produkt aus Mäders Wald ist das Brennholz. Es kann gebündelt im Hofladen gekauft und mitgenommen werden, grössere Mengen werden jedoch auch an den Bestimmungsort geliefert und für einen Aufpreis sogar am vorgesehenen Lagerort aufgeschichtet.

Wir sitzen in der grossen, gemütlichen Küche, der Blick geht über den schön gestalteten Sitzplatz hinaus auf die weidenden Kühe, an den Waldrand. Urs Mäder und Claudia Ruf finden die gelegentlichen Ferien am Meer zwar eine willkommene Abwechslung, über ihr Zuhause geht ihnen aber nichts. Fragt man beim Landwirte-Paar nach den liebsten Tätigkeiten, muss Urs Mäder nicht lange studieren: Seine Tannenbäume sind nicht nur Erwerb, die Aufzucht der Bäumchen über viele Jahre hinweg ist für ihn „e Fröid“. Die Pflegefachfrau Claudia Ruf lernte den Alltag auf dem Bauernhof erst durch ihren Partner kennen, vorerst arbeitet sie in ihrer Freizeit  auf dem Amselberg mit. Dabei gefällt ihr die Arbeit im Hofladen besonders gut. Mit viel Liebe zum Detail bereitet sie ihn etwa für die Osterzeit oder den Advent vor, dekoriert ihn der Jahreszeit entsprechend und stellt Produkte her, die zum Thema passen und die Kunden erfreuen.    

Im Hofladen gibt es im Herbst stets eine riesige Auswahl von Kürbissen jeder Art, sei es zum Kochen oder als Dekoration. Allerdings stellt Urs Mäder in den letzten Jahren einen leichten Rückgang des „Kürbis-Booms“ fest – seit das prächtig bunte Gemüse an jeder Ecke und in den Grossverteilern auch zu haben ist, fährt man dafür nicht mehr unbedingt in den Hofladen… Dort stehen jedoch noch viele andere feine Dinge: im Sommer die jeweils gerade frisch geernteten Früchte, Sirup oder Konfitüren, beliebt ist auch naturtrüber Most.   

Der Hofladen von Mäders hat in der Region einen guten Namen. „Wir haben eine schöne Zahl von Stammkunden“, erzählt Urs Mäder. Auch Spaziergänger, die zum ersten Mal auf den Amselberg kommen, verweilen gerne für einen Moment. Wer einmal hier war, versteht’s…

Text: Marie-Louise Beyeler
Fotos: Pia Neuenschwander

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www.amselberg.ch