Spitzensport im Schweinestall
Die Begegnung mit Fabienne Suter ist die Korrektur eines Klischees. Die bildhübsche junge Frau mit den grossen blauen Augen und der aparten Frisur sieht nicht so aus, wie man sich eine Landwirtin vorstellt. Wenn Fabienne Suter jedoch von ihren Feldern und Tieren, von Holunderblüten und Schnittlauchblumen, Kräutern und selbstgekochter Konfi erzählt, wird sehr schnell klar, dass sie Landwirtin mit Leib und Seele ist. Ihr Hof ist ihr Leben... In der weiten Seeländer Ebene ausserhalb des Städtchens Büren an der Aare hat der Grossvater von Fabienne Suter in den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts einen sogenannten «Siedlungshof» gebaut. Das kleine Bauernhaus im Ort wurde zu eng, wie andere Landwirte baute auch Grossvater Suter einen zweckmässigen, den Anforderungen der modernen Zeit entsprechenden Hof. Ein Wohnhaus, eine grosse Scheune für die Landwirtschaftsmaschinen, Stallungen, Garten. Hier bauerte Fabiennes Vater weiter, hier wurde sie geboren und verbrachte mit ihren drei Geschwistern zusammen ihre Kindheit. Bereits als kleines Mädchen wuchs sie durch die zahlreichen «Ämtli» in die landwirtschaftlichen Tätigkeiten hinein und konnte sich nie etwas anderes vorstellen als ein Leben auf dem Bauernhof. So machte sie im solothurnischen Oberdorf die Lehre als Landwirtin und hätte auf Anraten ihrer Lehrer weitermachen, Agronomie studieren sollen. Freimütig gibt sie zu, dass sie einfach zu wenig gerne hinter den Büchern, aber mit Leidenschaft um die Tiere herum auf dem Hof sei. Nach der Scheidung ihrer Eltern und dem Wegzug der Mutter fehlte auf dem Bauernhof der Suters eine wichtige Arbeitskraft, «wie von selbst» sei es dann halt so gekommen, dass sie auf dem Hof angestellt wurde vom Vater.
Sie wohnte nicht auf dem Hof und pendelte täglich zur Arbeit. Als die weite Welt dann doch lockte, zog es die junge Landwirtin gleich sehr, sehr weit weg. Auf die Zeit in Australien schaut sie mit gemischten Gefühlen zurück: Einerseits war Fabienne fasziniert vom grossen Kontinent mit seinen landschaftlichen Schönheiten, anderseits litt sie unter fürchterlichem Heimweh. Zurück in der Schweiz war sie auf einem Landwirtschaftsbetrieb in Grossaffoltern zuständig für die Betreuung von 140 Schweinen, einen Tag pro Woche arbeitete sie in einer therapeutischen Wohngemeinschaft mit behinderten Kindern. Das hat sie wesentlich geprägt. «Die Kinder schenkten mir unendlich viel», sagt sie. Die Liebe und Zärtlichkeit, mit denen sie ihr begegneten, der von gegenseitigem Respekt, von Aufmerksamkeit geprägte Umgang miteinander sei sie sich so nicht gewohnt gewesen. «Ich konnte ihnen viel geben, mit ihnen im Garten und mit Tieren arbeiten, aber ich bin auch tagtäglich beschenkt worden.» Als der Vater erkrankte, kam Fabienne nach fünf Jahren auf den Hof zurück. Die beiden gründeten eine sogenannte Generationen-Gemeinschaft und arbeiten nun gemeinsam im Betrieb. Seit kurzer Zeit ist Fabienne Suter diplomierte Meister- Landwirtin.
Auf ihrem Hof baut Fabienne auf 16 ha Weizen, Gerste, Raps, Mais und Zuckerrüben an. Letztere allerdings sind «outgesourct», die herbstlichen Fahrten in die Aarberger Zuckermühle «si nid mis Ding», erklärt sie. Ganz und gar ihr Ding jedoch sind ihre Schweine. Wenn sie von ihnen erzählt, tut sie dies nicht nur mit viel Sachkenntnis, sondern auch mit Begeisterung. Mit insgesamt 700 Schweinen züchtet die junge Landwirtin Elite-Tiere für die weitere Zucht in der ganzen Schweiz. Und das geht so: In den weiträumigen Stallungen leben zwei Eber für den Natursprung, d.h. die natürliche Befruchtung der 56 Muttertiere. Alle anderen Schweine sind Remonten, «Teenager», präzisiert Fabienne. Von ihnen werden dann die Schönsten und Besten wiederum gedeckt, der Rest gibt Fleisch. Das tönt nun für eine Aussenseiterin doch etwas technisch, die Züchterin jedoch stellt die Dinge richtig. Auch wenn es niemals darum gehe, Tiere zu verniedlichen oder sogar zu vermenschlichen, einfach von einer Sache könne sie nicht sprechen.
Fabienne kennt ihre Tiere – die allesamt nummeriert sind – und weiss stets genau, wer gerade wo ist. Unglaublich eindrücklich sei es, das Wachstum der Tiere zu beobachten. Ein Ferkel wiegt bei der Geburt rund ein Kilo und wird dann bis 250 Kilo schwer. Ihre Muttertiere bezeichnet sie als «Spitzensportler », nicht etwa, wie man das oft hört, als Gebärmaschinen. «Und Spitzensportler, das wissen wir doch, haben zwar insgesamt Freude an guten Leistungen, aber sicher auch Einbrüche, Durchhänger, Schwächen. Das respektiere ich voll und ganz...» Tiere dürfen nicht einfach ein Produkt sein, jedes Tier sei etwas Wertvolles, das seinen Platz im Gefüge der Natur habe. Sie habe ein Flair für Tiere, sagt die Landwirtin, und vielleicht gerade deshalb ist für sie das Leben mit ihnen klar geordnet. «Da gibt es eine Hierarchie zu beachten, sicher – und nicht nur bei Schweinen. Auch meine zahlreichen Katzen wissen, wer die Meisterin ist.» Die Aussenseiterin fragt weiter: «Warum hat’s auf dem Hof keine Kühe?» «Das ist ganz einfach: Wir erhielten bloss ein kleines Milch-Kontingent. Das Einhalten der gesetzlichen Bestimmungen für den Tierschutz ist umständlich, und für nur wenige Kühe lohnt sich das nicht. Der Schwerpunkt ‹Schweine› hat sich deshalb wie von selbst ergeben.»
Was macht denn die junge Frau sonst noch, wenn sie nicht bei den Schweinen weilt? «Auf einemBauernbetrieb gibt es viel zu tun, auch viele kleine Dinge, die einfach erledigt sein müssen, damit es auch im Grossen funktioniert», erklärt sie. Nebst all dem, was sein muss, braucht Fabienne auch noch einen ganz besonderen Ausgleich. Mit Liebe und Leidenschaft pflegt sie ihren Kräutergarten, viele bezeichnen sie denn auch als «Kräuterhexli». Das Hexli mischt Salatkräuter und Tee, Kräutersalbe, Konfitüre und Sirup, und es ist eines ihrer vielen Projekte, in nicht allzu ferner Zeit damit «z’Märit» zu gehen. Vorläufig klopfen Bekannte und Freunde bei ihr an, und «es het, solang’s het». Eine Frage steht halt doch noch im Raum, Fabienne nimmt die Antwort vorweg: Sie ist mit Leib und Seele Landwirtin, sie bewirtschaftet den Hof mit Engagement und Freude, aber ein Single- Leben war nie ihre Wunschvorstellung. Vor noch nicht langer Zeit hat sie auch ihr ganz persönliches Glück gefunden. Voller Tatendrang und Zuversicht geht’s zu zweit in die Zukunft.
Text: Marie-Louise Beyeler
Fotos: Pia Neuenschwander