Bischof Felix Gmür und SyKo-Mitglied Davide Pesenti im Gespräch mit dem «pfarrblatt». Foto: Sylvia Stam
Felix Gmür: «Wir sind nicht gewohnt, zu scheitern»
Am 3. Dezember fand das erste Treffen zwischen der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), dem RKZ-Präsidium und der Synodalitätskommission (SyKo) statt. Konkrete Themen wurden nicht besprochen. «Der Papst findet es gut, einfach mal etwas zu probieren, selbst wenn es möglicherweise scheitert», sagt Bischof Gmür.
Annalena Müller
Nach dem Ende der Weltsynode geht es darum, Synodalität in den Ortskirchen umzusetzen. Was das konkret heisst, darüber gehen die Meinungen auseinander. Während in der Süd- und Westschweiz die Spiritualität und der gemeinsame Weg im Zentrum stehen, erwarten Deutschschweizer:innen Strukturreformen. Ein Gespräch mit dem Basler Bischof Felix Gmür und SyKo-Mitglied Davide Pesenti über Synodalität und die Möglichkeit des Scheiterns.
Am 3. Dezember haben sich SBK und die SyKo zum ersten Mal getroffen. Wie war Ihr Eindruck, Bischof Felix Gmür?
Felix Gmür*: Der Eindruck war ein doppelter. Der Erste: Die Leute sind motiviert, und die Stimmung war gut. Das ist das Wichtigste. Der zweite Eindruck ist, dass wir am Anfang stehen. Manche Leute glauben, dass wir mit dem Abschlussbericht der Weltsynode ein Resultat aus Rom zurückgebracht haben. Und dass wir jetzt sagen: «So und so wird es gemacht». Aber bei dem Treffen hat man gemerkt, wir sind in der Schweiz und hier geht alles ein bisschen langsamer.
Es war also mehr ein Kennenlernen als ein Suchen nach konkreten Beschlüssen?
Gmür: Genau, man hat nichts beschlossen. Das war aber nicht die Intention. Bei diesem ersten Treffen ging es darum, ein Gespür dafür zu entwickeln, was es braucht. Und beim Synodalitätstag habe ich einmal mehr festgestellt, dass wir in der Deutsch- und Westschweiz unterschiedliche Kulturen haben. Das ist wirklich spannend. Aber genau das ist auch Synodalität: Die Unterschiede zu spüren und den anderen Menschen trotzdem gern zu haben. Auch wenn man ihn vielleicht nicht auf Anhieb versteht.
Davide Pesenti**: Der Synodalitätstag war der Auftakt eines langen Prozesses. Fünf Jahre sind für die Erprobungsphase der SyKo veranschlagt. Die Idee dieses Treffens war, dass die Bischofskonferenz, die 30 Mitglieder der Kommission und das RKZ-Präsidium sich zum ersten Mal begegnen und schauen, wo wir stehen und wo wir perspektivisch hingehen können. Bei der nächsten Kommissionssitzung Anfang 2025 wird es dann thematischer werden.
Gmür: Von einigen Teilnehmenden kam schon etwas Widerstand. Sie wollten wissen, um was es konkret geht. Darauf ist man eingegangen und hat das Programm umgestellt. Es konnten konkrete Themen genannt werden, die bei der nächsten Sitzung im Frühling drankommen.
Der frühere RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch hat fünf Punkte vorgeschlagen, wie die Schweizer Kirche sofort synodaler werden kann und Lai:innen mehr Mitspracherechte bekommen. Wie kam das innerhalb der Bischofskonferenz an?
Gmür: Das war kein Thema. Aber die Bischöfe, mit denen ich geredet habe, waren alle sehr vom Synodalitätstag angetan. Sie haben das Treffen alle als gut und wichtig empfunden.
Pesenti: Es ist wichtig, zwischen dem Weg und dem Ziel zu unterscheiden. Auch nach der Weltsynode in Rom ist das Ziel noch unscharf. Wenn wir uns auf den Prozess einlassen und wirklich gemeinsam auf dem Weg sein wollen, geleitet vom Heiligen Geist, dann müssen wir eingestehen, dass wir das Ziel nicht kennen. Dieses Bewusstsein, dass wir gemeinsam unterwegs sind, in Offenheit und Klarheit, dass es keine Absicht und kein fixes Ziel gibt, das führt auch zu Spannungen. Und diese Spannungen gilt es auszuhalten. Das war durchaus ein Thema des Synodalitätstages.
Ihre Worte erinnern mich an die Diskussion mit Christophe Godel, der auch Mitglied der SyKo ist und ähnlich wie Sie argumentiert, Herr Pesenti. Demgegenüber haben viele in der Deutschschweiz durchaus ein fixes Ziel vor Augen. Wie kann man den synodalen Röstigraben überbrücken?
Pesenti: Zunächst dürfen wir nicht vergessen, dass es neben der Deutsch- und Westschweiz auch die italienische Südschweiz gibt, die ebenfalls eine eigene Perspektive einbringt. Ich glaube, dass man von oben herab keine Brücken bauen kann. Das Bauen der Brücken selbst ist das Hauptelement des ganzen synodalen Prozesses. Und das hat man beim Synodalitätstag gesehen: Wenn man schon eine vorgefertigte Haltung beziehungsweise Ideen hat, dann ist man nicht gemeinsam auf dem Weg und es klappt nicht. Deswegen denke ich, man muss die Unsicherheit, wohin der Weg geht, einfach vertrauensvoll aushalten. Und ich glaube, die zwischenmenschliche Beziehung ist der eigentliche Weg.
Gmür: Es ist interessant, dass für Deutschschweizer Ohren, die Süd- und Westschweiz taub für die Wichtigkeit von Strukturen und von eingespielten Prozessen scheinen. Westschweizer Ohren hingegen haben den Eindruck, dass für Deutschschweizer Strukturen über allem stehen und darüber der Heiligen Geist vergessen geht. Diese beiden Perspektiven zusammenzubringen, ist eine Herausforderung.
Welche Rolle spielen solche kulturellen Unterschiede, wenn es an die Erarbeitung konkreter Massnahmen geht?
Gmür: Ich glaube, es ist auch herausfordernd, dass der Papst aus einer anderen Kultur kommt. Das habe ich am Synodalitätstag auch gesagt. Der Papst findet es gut, einfach mal etwas zu probieren, selbst wenn es möglicherweise scheitert. Wir aber sind es nicht gewöhnt, etwas zu probieren und zu scheitern. Der Approach des Papstes und auch ein bisschen der West- und der Südschweizer ist es, mal zu probieren und zu schauen, was kommt. Ich weiss auch nicht, wie das konkret funktionieren wird. Ich bin gespannt.
*Felix Gmür ist Bischof von Basel und war Delegierter der Schweizer Bischofskonferenz bei der Weltsynode. Er stammt aus Luzern.
**Davide Pesenti ist Generalsekretär der SBK und Mitglied der Synodalitätskommission. Er stammt aus Italienischbünden.
Synodalitätskommission
Die Synodalitätskommission besteht aus 31 Mitgliedern, die von der SBK ernannt wurden. Sie ist nach Kriterien wie Alter, Geschlecht, Sprachregionen/anderssprachige Pastoral, und verschiedene Seelsorgebereiche, Ämter und Dienste, zusammengesetzt.
In der Erprobungsphase (2025-2029) soll die Kommission Wege auslorten, um synodale Arbeitsweisen zu konzipieren und zu testen. Sie versteht sich als Denkfabrik für Synodalität.