Helena Jeppesen-Spuhler

Helena Jeppesen-Spuhler bei einer Pressekonferenz im Vatikan im Jahr 2023. Foto: KNA

Helena Jeppesen-Spuhler: «Synodale Räte müssen Entscheidungskompetenz erhalten»

Das Schreiben des Papstes macht das Abschlussdokument der Weltsynode «noch verbindlicher». Die Bischöfe können nun viel vor Ort gestalten und müssen nicht auf Rom warten, sagt Weltsynoden-Delegierte, Helena Jeppesen-Spuhler. Und sie nennt einige Beispiele.

 

Annalena Müller

«pfarrblatt»: Frau Jeppesen, Papst Franziskus hat in seinem Schreiben zum Abschlussdokument die Ortskirchen in die Verantwortung genommen. Was heisst das konkret?

Helena Jeppesen-Spuhler*: Papst Franziskus hat mit der begleitenden Note das Schlussdokument der Synode noch einmal verbindlicher gemacht. Und er zeigt Wege auf, wie der Prozess nun weitergehen soll. Er nimmt die Bischöfe in die Verantwortung, indem er Rechenschaft von ihnen verlangt – sowohl nach oben als auch nach unten. Sie sollen die Ergebnisse der Weltsynode vor Ort umsetzen und bei ihren Ad-limina-Besuchen** dem Papst ihre Erfahrungen berichten. Der synodale Prozess geht also weiter!

«Einheit durch Vielfalt» ist zu einem Schlagwort geworden. Aber der Papst setzt der möglichen Vielfalt dort Grenzen, wo das Kirchenrecht betroffen ist. Das Diakonat der Frauen kann also nicht einfach lokal umgesetzt werden?

Jeppesen-Spuhler: Genau. Beziehungsweise: Der Papst müsste zunächst entscheiden, dass die jeweiligen Bischofskonferenzen diese Frage entscheiden können. Er müsste dies also explizit an die Ortskirchen delegieren. Darauf arbeiten wir ja auch in dieser Frage hin. Bischof Felix Gmür hat das auch konkret gefordert.

Welche Aspekte des Abschlussdokuments könnten die Schweizer Bischöfe jetzt direkt umsetzen?

Jeppesen-Spuhler: Da gibt es einige. Zum Beispiel die Frage nach den synodalen Räten und der Rechenschaftspflicht.

Wie könnte das aussehen?

Jeppesen-Spuhler: Da kann ich mir Verschiedenes vorstellen. Zum Beispiel könnten Bistümer Ziele veröffentlichen, die in einem Jahr erreicht werden sollen, und festlegen, zu welchen Themen gearbeitet werden soll. Am Ende des Jahres wird dann ein entsprechender Bericht veröffentlicht.

Nun könnte man sagen, dass es schon viele Gremien und Kommissionen gibt, denen ein Bischof Rechenschaft ablegt. Im Bistum Basel sind es allein 14. Braucht man wirklich weitere Gremien?

Jeppesen-Spuhler: Man kann Gremien auch zusammenlegen, das System verschlanken und sich auf das Wesentliche konzentrieren. Wichtiger als die Zahl der Gremien ist, dass sie Entscheidungskompetenz erhalten. Das kann durch eine entsprechende Selbstverpflichtung der Bischöfe geschehen. Auch dafür braucht es meines Wissens nach keine explizite Erlaubnis aus Rom.

 

Das Schreiben des Papstes gibt den Ortsbischöfen mehr Gestaltungsfreiheit und nimmt sie dadurch in Verantwortung. Können sich die Bischöfe nun weniger leicht hinter Rom verstecken?

Jeppesen-Spuhler: Ja. Es gibt unter den Bischöfen eine Mentalität, sich nach oben zu orientieren. Das ist nun ein Stück weit vorbei, und das hat auch mit der neuen Konstitution des Vatikans zu tun. Es gibt jetzt wirklich eine größere Gestaltungsfreiheit, die sich viele Bistümer ja lange gewünscht haben. Jetzt müssen sie natürlich auch entsprechend handeln.

Am 3. Dezember tagt die Synodalitätskommission erstmals zusammen mit der SBK. Glauben Sie, dort werden konkrete Zugeständnisse gefordert, zum Beispiel Stimmrecht bei gewissen Entscheidungen oder eine Selbstverpflichtung der Bischöfe, sich an gewisse Dinge zu halten?

Jeppesen-Spuhler: Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Fragen diskutiert werden. Die Kommission hat ja den Auftrag, möglichst verbindliche Entscheidungsprozesse zu entwickeln und auch Modelle dafür zu erarbeiten. Ich glaube, da gehören all diese Fragen hinein. Wir können in der Kirche wirklich viel von unseren demokratischen Prozessen in der Schweiz lernen.

*Helena Jeppesen-Spuhler war eine der zehn europäischen «Nichtbischöfe» und eine von 54 stimmberechtigten Frauen, die vom Papst in die Weltsynode berufen wurden. Die Aargauerin arbeitet seit über 20 Jahren bei «Fastenaktion».

**Ad-limina-Besuch meint die kirchenrechtliche Verpflichtung der Bischöfe, in der Regel alle fünf Jahre dem Papst einen persönlichen Bericht über den Zustand ihrer Diözese zu geben.

 

 

Begleit-Note von Papst Franziskus

Am 25. November hat Papst Franziskus eine begleitende Note zum Abschlussdokument der Weltsynode veröffentlicht. Darin bestätigt er, dass «das Abschlussdokument zum ordentlichen Lehramt gehört» und als solches anzunehmen ist.

Weiter fordert der Papst die Ortskirchen dazu auf, «kreativ neue Formen des Dienstes» zu aktivieren. Also dort, wo kirchenrechtlich möglich, die Forderungen des Abschlussdokuments vor Ort zu erproben. Dabei sollen die Ortskirchen «auf Traditionen und lokale Herausforderungen Rücksicht nehmen».

In dem Schreiben zeichnet der Papst auch den Weg vor, wie der synodale Prozess weitergeht. Die Diözesanbischöfe sollen Rom in regelmäßigen Abständen über die Erfahrungen in ihren Diözesen berichten. Die unterschiedlichen Weisen, «einige Aspekte der Lehre (…) zu interpretieren (…)», werden so lange bestehen, «bis der Geist uns zur vollen Wahrheit führt».

Hier geht's zum Schreiben des Papstes in deutscher Sprache.