Plenarversammlung der RKZ in Altdorf UR im Juni 2024. Foto: zVg

Kampf gegen Missbrauch: Beim Geld hört die Freundschaft auf

Der Kampf gegen Missbrauch ist teuer. Eine Erhöhung des nationalen Budgets scheiterte im Juni am Widerstand der Landeskirchen. Dieses Jahr helfen finanzstarke Verbände mit Sonderbeiträgen aus. Ab 2027 aber werden Sparmassnahmen kommen: Bei Bildung, Migranten und den Medien. Der Hintergrundbericht.


Annalena Müller

Die Berner Landeskirche hat sich kürzlich den kantonalkirchlichen Organisationen angeschlossen, die zusätzliche Mittel für die Missbrauchsbekämpfung bereitstellen. Im Dezember bewilligte sie einen Sonderbeitrag von 50'000 Franken. Hintergrund sind die Finanzlücken, die durch die Finanzierung der nationalen Massnahmen gegen Missbrauch im Budget der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ) entstanden sind.

Money, Money, Money

Das Problem zeigte sich bereits im Juni 2024. Bei der Plenarversammlung der RKZ in Altdorf UR rechnete das RKZ-Präsidium den Delegierten vor: Der Kampf gegen Missbrauch im kirchlichen Umfeld ist teuer. Um ihn zu finanzieren, fehlen im Etat der RKZ, dem Dachverband der Landeskirchen, jährlich 500’000 Franken. 
 


Die Zusatzkosten gehen auf die Massnahmen zurück, welche die Schweizer Kirche nach Veröffentlichung der Missbrauchsstudie beschlossen hat. Dazu gehören unter anderem die Anlaufstellen für Missbrauchsbetroffenen, Genugtuungszahlungen an Opfer verjährter Straftaten, psychologische Assessments für neue Seelsorgende und ein nationales kirchliches Straf- und Disziplinargericht. Zusätzlich wurde die Nationale Dienststelle Missbrauch personell verstärkt, um die Umsetzung der Massnahmen zu gewährleisten.

Geld kommt von Kantonalkirchen

Da die RKZ über keine direkten Steuereinnahmen verfügt, kommt ihr Jahresetat von gut 13 Millionen Franken von den Landeskirchen. Davon werden neun Millionen für nationale Aufgaben wie Migrationsseelsorge, Medienzentren und Ausbildungseinrichtungen verwendet. Zwei Millionen gehen an die Bischofskonferenz. Dazu kommen die seit 2023 steigenden Kosten für den Kampf gegen Missbrauch.  
 


Die Beiträge der einzelnen Landeskirchen werden nach einem Schlüssel berechnet, der Grösse und Finanzstärke der jeweiligen Organisation berücksichtigt. Insgesamt stehen der RKZ «1.3 % der gesamten Kirchenerträge zur Verfügung», wie es im Bericht der Plenarversammlung vom Juni 2024 heisst.

Knall in Altdorf

Der Antrag des RKZ-Präsidiums, die Beiträge zu erhöhen, wurde in Altdorf abgelehnt. Besonders finanzschwächere kantonale Organisationen widersetzten sich der Erhöhung, wie Generalsekretär Urs Brosi gegenüber dem «pfarrblatt» erklärt.
 


Dass es schwierig würde, die Träger von einer Anpassung der Finanzen zu überzeugen, habe Brosi erwartet. Aber natürlich habe er auf einem anderen Ausgang gehofft. Die Absage zwingt die RKZ ab 2027 zu bedeutenden Einschnitten. Präsident Roland Loos fasst die Situation zusammen: Die RKZ muss künftig «mehr mit weniger leisten».

Nach der Absage in Altdorf ging das RKZ-Präsidium auf Tour und bat bei finanzstarken Landeskirchen um Sonderzahlungen. Neben Bern wurden auch in Zürich, Luzern, Basel-Land, Zug, Waadt und St. Gallen Anträge gestellt. 

Zweckgebundene Gelder

Zürich bewilligte für 2025 einen zweckgebundenen Sonderbeitrag von 100'000 Franken zur Finanzierung der kirchlichen Informationsstelle, die staatlich anerkannte Opferberatungsstellen in kirchenspezifischen Fragen unterstützen soll.
 


Ebenfalls zweckgebunden sind die Gelder der waadtländischen Landeskirche. Sie finanziert die 20-Prozent-Stelle von Mari Carmen Avila, welche Stefan Loppacher und Annegret Schär in der Präventionsarbeit auf nationaler Ebene unterstützen wird. Die Synode der Landeskirche Basel-Land bewilligte 150'000 Franken, die in zwei Tranchen 2025 und 2026 ausgezahlt werden. Dieser Betrag dient der Mitfinanzierung des geplanten interdiözesanen Straf- und Disziplinargerichts.

Warten auf Zug

Noch nicht entschieden hat die Vereinigung der Katholischen Kirchgemeinden des Kantons Zug (VKKZ). Auf Anfrage bestätigt Arnold Landtwing, Leiter Fachstelle Kommunikation, dass ein entsprechender Antrag der RKZ eingegangen sei. Das Präsidium der VKKZ wird «der Delegiertenversammlung einen Nachtragskredit in der Höhe von 75‘000 Franken unterbreiten.» Der Entscheid wird im Mai erwartet.

Auch Bistümer sollen sich beteiligen

Aus Luzern und Bern kommen je 50'000 Franken. Diese kann die RKZ im Rahmen der Massnahmenfinanzierung frei einsetzen. Mit einer Einschränkung: Die Berner Gelder dürfen nicht für die Finanzierung des Genugtuungsfonds verwendet werden. 
 


Aus dem von RKZ, SBK und KOVOS* getragenen Fonds werden Entschädigungen für Missbrauchsbetroffene bezahlt. Aufgrund der gestiegenen Anträge nach Veröffentlichung der Missbrauchsstudie, drohte dem Fonds, das Geld auszugehen. «Bis 2023 lag der Anteil der RKZ zum Genugtuungsfonds bei jährlich CHF 150'000. 2024 mussten wir zweimal nachalimentieren und insgesamt CHF 450'000 einzahlen», so Urs Brosi.

Gegenüber dem «pfarrblatt» erklärt die Generalsekretärin der Berner Landeskirche, Regula Furrer, die Einschränkung der Berner Gelder: «Der Landeskirchenrat hat die Frage im Dezember kontrovers diskutiert und kam zu dem Schluss, dass die Bistümer die zusätzlichen Gelder für den Fonds bereitstellen sollten, nicht die RKZ.» 

Spannungen im System

Die Erhöhung der Beiträge hat Spannungen im dualen System zwischen staatskirchenrechtlichen Organisationen und der Bischofskonferenz sowie innerhalb der RKZ offenbart. Thomas Franck, Verwaltungsdirektor des Katholischen Konfessionsteil des Kanton St. Gallen, fasst es folgendermassen zusammen:

St. Gallen habe «sich sehr stark dafür engagiert, dass die Kosten für die Massnahmen im Bereich Missbrauch über die RKZ finanziert werden können. Alle Kantonalkirchen sind gleichermassen gefordert und davon betroffen. So sollten auch die Kosten solidarisch von allen 26 RKZ-Mitgliedern getragen werden – abgestuft nach Grösse und Finanzkraft der jeweiligen Landeskirche, so wie das in der RKZ üblich ist. So sollten mehr Mittel auf die nationale Ebene transferiert werden, um die Herausforderungen im Bereich Missbrauch zu finanzieren», so Franck in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem «pfarrblatt».
 


Die Notlösung, dass nur einige finanzstarke Landeskirchen zahlen und andere, mit Verweis auf ihren Haushalt, sich gar nicht beteiligen, sei problematisch: «Die Solidarität unter den Kantonalkirchen ist angeschlagen.» Daher sei es nicht «Aufgabe des Administrationsrats des Konfessionsteils St. Gallen, für mehr Mittel auf der nationalen Ebene zu sorgen, sondern bei jenen Kantonalkirchen, die den Antrag des RKZ-Präsidiums abgelehnt haben.»

Solidaritätsprinzip wichtig

Auch in Bern ist man der Auffassung, dass die Sonderzahlung eine Ausnahme bleiben müsse. Im Gegensatz zu St. Gallen hat man aber dennoch einen Sonderbeitrag gesprochen. «Die Finanzierung der Massnahmen rund um die Missbrauchsbekämpfung darf nicht scheitern», sagt Generalsekretärin Regula Furrer. 

Aber auch Furrer betont, dass das Solidaritätsprinzip wichtig sei. Und die aktuelle Situation das Risiko berge, dass sich die RKZ auseinanderdividieren lasse. Das gelte es unbedingt zu vermeiden. Auch wenn es bedeutet, dass die RKZ an anderer Stelle sparen muss, um die Massnahmen im Kampf gegen Missbrauch zu finanzieren.

Sparmassnahmen greifen 2027

Für das Jahr 2025 können alle Obligationen erfüllt werden, bestätigt Urs Brosi gegenüber dem «pfarrblatt». Dank der Sonderzahlungen der einzelnen Landeskirchen werden man voraussichtlich 350'000 Franken zusätzlich haben. Das verbleibende Loch von 150'000 werde man im Jahr 2025 aus Rücklagen füllen, so Brosi.
 


Da das RKZ-Budget bereits jeweils ein Jahr im Voraus gemacht werde, sollten 2026 keine weiteren Sonderzahlungen nötig sein. Dann dürfte der Sparkurs beginnen, der für national getragene Projekte ab 2027 effektiv sein wird. 

Wo wird gespart?

Zur Frage, wo gespart wird, will sich die RKZ nicht äussern. Nur so viel: Die Schweizer Bischofskonferenz hat keine Einschnitte zu befürchten. Aber auch eine Erhöhung der Leistungen schliesst der Generalsekretär gegenüber dem «pfarrblatt» aus. 

Ein Blick in die weiteren Budget-Posten der RKZ legt Schlüsse nahe. Dort stechen die sprachregionalen Medienzentren (kath.ch/cath.ch/catt.ch) und die Migrations-Seelsorge heraus. Die Medienzentren sind aktuell mit 2,5 Millionen Franken budgetiert und der Migrationsbereich mit insgesamt 1,5 Millionen. An beiden Orten stellt man sich auf Sparmassnahmen ein. 

Bei «migratio» habe man eine Arbeitsgruppe gebildet, um sich vorzubereiten, sagt die Direktorin Isable Vasquez. Nadia Omar, Interimsdirektorin von kath.ch, und Fabien Hunenberger, Direktor von cath.ch, bestätigen ebenfalls, Massnahmen zu erörtern. 

Spätestens bei der RKZ-Plenarversammlung im Sommer 2025 erwarte man Genaueres über den Umfang der Sparmassnahmen zu erfahren, so Hunenberger gegenüber dem «pfarrblatt». 

Eines scheint klar: finanzpolitisch dürfte 2025 ein spannendes Jahr für die Schweizer Kirche werden.

 

*RKZ, SBK und KOVOS: Römisch-katholische Zentralkonferenz, Schweizer Bischofskonferenz und Vereinigung der Ordensgemeinschaften