Das Nebengebäude der Apostolischen Nuntiatur in Bern muss totalsaniert werden. Foto: Joachim Kohler

Nuntiatur-Renovation lässt Fragen offen

Eine Totalsanierung, viel Geld und die offene Frage: Warum die Schweizer Kirche etwas finanziert, das eigentlich Rom bezahlen müsste?

 

Annalena Müller

Im Berner Kirchenfeld, dem Botschaftsviertel der Hauptstadt, reihen sich herrschaftliche Häuser aneinander. Eines davon ist die Apostolische Nuntiatur an der Thunstrasse 60, die Residenz des Botschafters des Heiligen Stuhls. Zu dem Hauptgebäude, in dem der Nuntius residiert, gehört ein Nebengebäude, das die Haushälterinnen, vier mexikanische Nonnen, beherbergt. Auch die Gästewohnung der Botschaft befindet sich dort. Das Nebengebäude wird nun renoviert. Aber die Finanzierung wirft Fragen auf.

Jenseits der Polemik

Am 24. Dezember 2024 titelte das Online-Portal «Inside Paradeplatz»: «Swiss Steuerzahler finanzieren Vatikan-Ableger in Bern». Auslöser war das öffentlich einsehbare Protokoll der katholischen Kirche im Kanton Zürich vom Oktober 2024, in dem der Synodalrat 100'000 Franken für die Renovation sprach. 
 

Warum die Kirchensteuerzahlenden die Renovationskosten tragen müssten und nicht der Vatikan, fragt «Inside Paradeplatz». Weiter heisst es, «Geld im Überfluss für schöne Bauten hätte der katholische Ministaat genug». Auch ohne die Polemik des Wirtschaftsportals ist die Frage nach der Finanzierung berechtigt. 

Vatikan zahlt 150'000, die Schweiz den Rest

Worum geht es? Laut dem Unterstützungsgesuch, das die «Inländische Mission» (IM) im Auftrag von Nuntius Martin Krebs verfasst hat, werden für die Sanierung 850'000 Franken veranschlagt. Unter Berücksichtigung der Teuerung rechnet die IM mit «Gesamtkosten von gegen einer Million Franken». 

Aus dem Dokument geht hervor, dass die IM, welche die Renovation von Kirchengebäuden in der Schweiz unterstützt, selbst CHF 150'000 spendet. Der Vatikan, genauer das päpstliche Staatssekretariat, übernimmt ebenfalls CHF 150'000. Der Rest soll durch Spenden und kirchliche Körperschaften finanziert werden. 

 


Das «pfarrblatt» hat bei Bistümern, Landeskirchen und Kirchgemeinden nachgefragt. Zu den CHF 100’000 der Zürcher Kirche kommen aus Basel-Land und St. Gallen jeweils 50'000 Franken, wie «Inside Paradeplatz» bereits berichtete. Die Gesamtkirchgemeinde Bern hat im Dezember CHF 30'000 gesprochen. Der Entscheid des Berner Landeskirchenrat steht noch aus und wird für den 15. Januar erwartet. 

Auch aus den Bistümern dürften Gelder geflossen sein. In welchem Umfang ist unbekannt. Das grösste Schweizer Bistum bestätigt auf Anfrage: «Das Bistum Basel unterstützt mit Hilfe einer privatrechtlichen Stiftung diese Renovierungsarbeiten.» Wie die Bistümer bleibt auch die Inländische Mission allgemein. Deren Geschäftsführer, Urban Fink, schreibt, die Spendensammlung sei bei «den Schweizer Bistümern und den staatskirchenrechtlichen Organisationen auf ein sehr gutes Echo» gestossen, «sodass bereits jetzt der grösste Teil der anfallenden Kosten gedeckt ist». 

Staaten, nicht Gastländer unterhalten Botschaften 

Dass eine Botschafts-Sanierung grossanteilig von Institutionen des Gastlandes getragen wird, ist ungewöhnlich. Prinzipiell sind Regierungen für den Unterhalt ihrer Botschaften zuständig. Auf Anfrage spezifiziert das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA): «Der Besitzer der Immobilie muss für die Kosten einer eventuellen Renovierung selbst aufkommen. Im Falle von Schweizer Vertretungen im Ausland ist dies der Bund, wenn die Immobilie Eigentum der Schweiz ist.» 
 


Die Gebäude an der Thunstrasse 60 sind im Besitz des Heiligen Stuhls, wie das Berner Grundbuchamt gegenüber dem «pfarrblatt» bestätigt. Nach den geltenden Gepflogenheiten müsste eigentlich der Vatikan für die Renovation aufkommen. Nun kann man sich über diese Sonderhandhabung echauffieren, wie es «Inside Paradeplatz» getan hat. Oder diese auf die Sonderstellung des Heiligen Stuhls zurückführen. Dieser ist zwar völkerrechtlich anerkannt, unterscheidet sich jedoch in vielerlei Hinsicht von herkömmlichen Staaten – warum nicht auch in dieser Frage?

Archivöffnung abgelehnt

Eine Antwort könnte sein: Weil Nuntius Martin Krebs bei einer anderen Botschaft-Angelegenheit durchaus auf die Einhaltung allgemeiner Spielregeln besteht. So hat er im Februar 2023 ein Gesuch auf Archiveinsicht abgelehnt. Das Gesuch gestellt hatte die Zürcher Forschungsgruppe zum Missbrauch im kirchlichen Umfeld, die bekanntermassen im Auftrag von Bischofskonferenz, Landeskirchen und Ordensgemeinschaften arbeitet. In seiner Begründung verwies Krebs auf das Wiener Abkommen (WÜD), das Botschaftsarchiven einen besonderen Status zuerkennt. 

Allerdings wirkt es wie Rosinenpickerei, wenn man einerseits argumentiert, es sei völkerrechtlich nicht Usus (obwohl möglich), Forschenden Zugang zu Botschaftsarchiven zu gewähren. Und dann allgemeine Gepflogenheiten an anderer Stelle flexibel handhabt, wenn es zum eigenen Vorteil ist. 

Nicht alle Landeskirchen angefragt

Ebenfalls handverlesen scheinen die angefragten kirchlichen Körperschaften gewesen zu sein. Eine Umfrage des «pfarrblatt» hat ergeben, die Inländische Mission hat nicht überall ein Unterstützungsgesuch gestellt hat. Bei den kleinen und entsprechend finanzschwächeren Institutionen ist das wenig überraschend. Aber auch grössere Landeskirchen wie Luzern, Aargau und Solothurn informierten, kein Gesuch erhalten zu haben. 

Dafür berichteten zwei Insider von unverbindlichen Ortsbesuchen im Jahr 2023. Dabei sei es um die Frage gegangen, ob ein Gesuch für finanzielle Unterstützung Erfolg haben könnte. Gut möglich, dass die Inländische Mission vorsondiert und nur dort Gesuche eingereicht hat, wo sie erfolgsversprechend waren.

Widerspenstige Luzerner Kirche

Die Luzerner Katholik:innen, die als widerspenstig gelten und 2023 sogar das Bistum herausforderten, scheinen weder formell noch informell angefragt worden zu sein. Dominik Thali, Kommunikationsverantwortlicher der dortigen Landeskirche, ist darüber nicht überrascht. «Ein solches Gesuch wäre sicher auch auf Widerstand gestossen». Zu gross sei die Enttäuschung, dass der Nuntius den Zugang zu den Botschaftsarchiven für das Forschungsteam aus Zürich verweigere. «Dabei wäre das für die Missbrauchsstudie von grosser Bedeutung», so Thali gegenüber dem «pfarrblatt».
 


Gefragt, ob es im Zürcher Synodalrat zu solchen Diskussionen kam, sagt dessen Sprecher, Simon Spengler: «Der Antrag war unbestritten. Verknüpfungen mit kirchenpolitischen Forderungen standen nicht zur Debatte.»

«Pfarrhaus des Papstes»

Aus Schweizer Sicht drängt sich eine weitere Frage auf. Warum zahlen Landeskirchen, Bistümer und Gemeinden für die Renovierung eines Gebäudes, von dem sie nichts haben? 

Die Argumentation des IM-Geschäftsführers Urban Fink, dass es sich bei dem Nebengebäude um das «Pfarrhaus des Papstes in der Schweiz» handle, überzeugt nur begrenzt. Die Gästewohnung scheint meist leer zu stehen. Im Begleitschreiben zum Gesuch nennt Nuntius Martin Krebs den päpstlichen Staatssekretär Pietro Parolin, der im November 2021 dort untergekommen sei, als einziges Beispiel eines Staatsgastes. Der letzte Papst, der sein Berner Pfarrhaus besuchte, dürfte Johannes Paul II. gewesen sein. Er hat 2005 dort übernachtet.