Waren oder sin in der kirchlichen Kommunikation tätig (v.l.n.r.): Nicole Büchel, Barbara Melzl, Julia Moreno, Isabelle Awad, Arianna Estorelli, Simon Spengler, Dominik Thali, Charles Martig

Kirchen-Kommunikation: «Krisensituation im Dauerzustand»

Missbrauch, Mitgliederschwund, Reformstau. Kirchenkommunikation ist ein Verschleissjob. Was motiviert dennoch dafür?


Sylvia Stam 

«Warum tut man sich das an?» Diese Frage hört Nicole Büchel oft. Büchel ist Kommunikationsverantwortliche des Bistums Chur und kirchliche Negativschlagzeilen etwa wegen Missbrauch oder Mitgliederschwund sind ihr beruflicher Alltag. «Es sind die Momente, die Begegnungen und die Menschen – und nicht zuletzt die Hoffnung, etwas zu bewegen und Gutes tun zu können», antwortet sie auf diese Frage. Auch andere kirchliche Kommunikationsbeauftragte schöpfen daraus Kraft. Das zeigt eine Umfrage des «pfarrblatt» innerhalb der Deutschschweizer Bistümer, einiger Landeskirchen und des Pastoralraums Bern.

Dennoch zeigen zwei prominente Abgänge in der kirchlichen Kommunikation innerhalb weniger Monate, dass der Job kein Zuckerschlecken ist: Barbara Melzl verliess ihre Stelle als Kommunikationsverantwortliche des Bistums Basel Mitte April, Julia Moreno, für die SBK tätig, wurde Anfang Dezember von den Bischöfen entlassen. Beide waren rund zwei Jahre im Amt. 

Kräfteraubender Job

Ihre beiden Berufskolleginnen aus anderen Bistümern bestätigen, dass diese Aufgabe ein dickes Fell erfordert: «Eine grosse Herausforderung liegt darin, für eine Institution zu sprechen, die in der öffentlichen Wahrnehmung – aber auch intern – an Glaubwürdigkeit und Relevanz eingebüsst hat», schreibt Isabella Awad aus dem Bistum St. Gallen. Als Ursachen dafür nennt  Awad unter anderem Missbrauchsfälle, kirchliche Strukturen und gesellschaftliche Veränderungen.

Ihre Churer Kollegin Nicole Büchel sagt, dass der Job «ein hohes Mass an Fachwissen und Systemverständnis, nicht nur im eigenen Fachbereich der Kommunikation, sondern auch in den Bereichen Theologie, Recht, Psychologie und Traumabewältigung» voraussetze. «Gepaart mit einer Krisensituation im Dauerzustand und einer hohen Arbeitsbelastung raubt der Job Kräfte und Ressourcen.» Um dies aus- und durchzuhalten seien «Resilienz und ein tragendes Umfeld» wichtige Voraussetzungen. 

Nicht schwieriger, aber anders

In den Landeskirchen ist die Missbrauchsthematik deutlich weniger Thema als in den Bistümern. Eher beschäftigt sie der Mitgliederschwund. Verständlich, da die Landeskirchen als Körperschaft näher an den sinkenden Steuergeldern dran sind als die Bistümer. Umgekehrt stehen Bischöfe als sichtbare Amtsträger eher in der Kritik der Öffentlichkeit. 

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die kantonalkirchlichen Kommunikationsleute ihre Situation positiver schildern als die Bistumssprecherinnen. Für Christian Geltinger (Pastoralraum Bern) und Susanne Salvi (Landeskirche Basel-Land) steht kirchliche Kommunikation nicht vor grösseren Herausforderungen als in anderen Organisationen oder Firmen.

Laut Dominik Thali (Landeskirche Luzern) ist die Kommunikation in den letzten Jahren nicht schwieriger geworden, aber anders: «Es gibt keine Selbstverständlichkeiten mehr, es muss viel mehr erklärt werden. Die Politik stellt mehr Fragen und mehr in Frage», etwa die Kirchensteuer für Unternehmen. Für Thali, der seit bald zwanzig Jahren in dieser Funktion tätig ist, ist dies kein Grund zum Jammern, im Gegenteil: «Dies macht die Arbeit auch spannend». 

Sich selbst gut darstellen

Auch Simon Spengler (Kantonalkirche Zürich) schaut auf viele Jahre Erfahrung in der kirchlichen Kommunikation zurück. Nach seiner Einschätzung sind Kirchenvertreter:innen heute negativer eingestellt gegenüber Medien. Diese würden «selten als Korrektiv und als Chance verstanden, sondern vor allem als Gefahr.» Kirchliche Kommunikation erlebt er heute «deutlich stärker absenderorientiert als adressatenorientiert. Man will sich selbst gut darstellen, die Fragen und Interessen des Publikums sind sekundär». Für ihn ist dies typisch für «eine Organisation in einer Identitätskrise, ohne Selbstvertrauen.»

Wie Spengler mischt auch Charles Martig schon lange in der kirchlichen Kommunikation mit. Der Leiter Kompetenzzentrum Kommunikation und digitale Medien bei der Landeskirche Bern war zuvor langjähriger Direktor des Katholischen Medienzentrums. Spengler wie Martig orten klare Unterschiede in der kantonalkirchlichen und der bischöflichen Kommunikation: Während viele Landeskirchen «moderne und handlungsfähige Kommunikationsstellen» aufgebaut hätten, die «professionell und in der notwendigen Qualität» funktionierten, sei die Schweizer Bischofskonferenz «als nationales Gremium schwach und in der Kommunikation häufig defizitär. Es fehlt hier am Willen zur Kommunikation», so Martig, und meint damit «eine offene und kommunikative Haltung, die die Reputation stützt und Vertrauen schafft». 

Knappe Ressourcen

Arianna Estorelli, die ad interim die Kommunikation der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) leitet, verweist auch auf die  knappen Ressourcen: «Die Hauptherausforderung ist vor allem die vielfältige und komplexe Struktur der Katholischen Kirchen in der Schweiz sowie die geringeren Mittel auf nationaler Ebene, die die Kommunikation oft verlangsamen und erschweren.» Tatsächlich ist die Kommunikation der SBK für drei Sprachen mit 230 Stellenprozenten dotiert, von denen aktuell 150 besetzt sind. 

Zu schaffen macht der Kommunikationsfrau auch das Tempo, das in der digitalen Medienwelt nötig ist. «Oft sind die notwendigen Informationen nicht rechtzeitig von den betroffenen Personen verfügbar.» Beim Tempo sieht Estorelli denn auch Verbesserungspotenzial. 

Allerdings dürfte hier eines der Kernprobleme spezifisch kirchlicher Kommunikation liegen: Wenn die Kommunikation den betroffenen Personen ein wichtiges Anliegen wäre, würden sie die Informationen rechtzeitig verfügbar machen. Was das konkret bedeutet, sagt Charles Martig: «Kirchliche Gremien müssen Kontrolle abgeben und auf die Menschen vertrauen, die an der Front Medienarbeit leisten.» 

Fromme Floskeln und Worthülsen

Kritik äussern die kantonalkirchlichen Kommunikationsleute auch an der Sprache, in der Mitteilungen aus den Bistümern verfasst sind. «Da lese ich Ankündigungen, Schachtelsätze und Worthülsen, da wird selten etwas konkret», sagt Dominik Thali (LU) . Ähnlich klingt es aus Zürich:  «Offizielle Botschaften und Predigten von Verantwortungsträger:innen sind gespickt mit Leerformeln und frommen Floskeln, die mit dem realen Leben nur wenig Berührung haben», sagt Simon Spengler. Dabei sei die biblische Botschaft nach wie vor anregend und aktuell. Daraus «eine griffige, überzeugende und ansteckende Message zu formen, ist nicht einfach. Aber herausfordernd.»

Was also ist zu tun angesichts all dieser Herausforderungen? Für Charles Martig (BE) bedarf es einer Professionalisierung der Kommunikation, «die dazu führt, dass die ganze Kirche zu einer lernenden Organisation wird», dies nicht nur auf Ebene Bistum, sondern in Pastoralräume und Kirchgemeinden hinein. Hier ortet auch Dominik Thali oft fehlende Bereitschaft, hohe Stellenprozente für die Kommunikation zu sprechen. Also weniger Theologie und mehr Kommunikation, weniger Predigt und mehr Journalismus.