Der emeritierte Erzbischof Wolfgang Haas und die designierte Regierungschefin Brigitte Haas, die seine Cousine ist. Fotos: Facebook und ORF, Collage: Annalena Müller

Liechtenstein bleibt bei der Familie Haas und könnte kirchlich zurück in die Schweiz kommen

Brigitte Haas, die Cousine des emeritierten Vaduzer Erzbischofs Wolfgang Haas, dürfte als erste Frau das Fürstentum regieren. Was heisst das für das vakante Erzbistum und die Schweiz? Ein Hintergrundbericht.

 

Annalena Müller

Am Berner Thunplatz residiert der apostolische Nuntius. Der päpstliche Gesandte ist nicht nur für die Kirche Schweiz, sondern auch für Liechtenstein zuständig. Daher dürfte die politische Entwicklung im kleinen Fürstentum auch für Nuntius Martin Krebs von Interesse sein. 

Er ist seit über einem Jahr damit betraut, eine Nachfolge für das Erzbistum zu organisieren. Die Landtagswahlen in Liechtenstein gewann nun ausgerechnet die Cousine des emeritierten Erzbischofs, Brigitte Haas.

Kommt Vaduz wieder zur Schweiz?

Das Erzbistum Vaduz ist seit der Emeritierung von Wolfgang Haas im Herbst 2023 vakant. Der Vatikan nahm den Rücktritt des traditionalistischen Klerikers nur wenige Tage nach dessen 75. Geburtstag an – ein klares Signal, dass Rom einen Kulturwandel in Vaduz einleiten wollte. 

 

 

Doch bis heute wurde kein Nachfolger gefunden. Der apostolische Administrator Benno Elbs ist mit dem Zustand unzufrieden. Er möchte seine Aufgabe rasch wieder abgeben. In einem vielbeachteten Interview mit den Vorarlberger Nachrichten hat Elbs im vergangenen Herbst mögliche Szenarien beschrieben, wie es mit dem kleinen Erzbistum weitergehen könnte. Entweder findet sich doch noch ein neuer Bischof. Laut Benno Elbs aber auch möglich:  Das erst 1997 geschaffene Erzbistum Vaduz wird wieder in die Schweiz eingegliedert.

Zurück zu Chur?

In letzterem Fall wäre eine Personalunion mit dem Bistum Chur die wahrscheinlichste Lösung. Auch ein Zeitraum für eine solche Rückkehr soll bereits diskutiert werden, heisst es aus Insiderkreisen. Nämlich, wenn der amtierende Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain zurücktritt. 

 

Das wäre frühestens 2026 der Fall. Papst Franziskus hat Joseph Maria Bonnemain 2021 auf den Bischofstuhl berufen. Und ihm das Amt für mindestens fünf Jahre garantiert. Der Grund für die Sonderregelung: Bonnemain war bei seiner Bischofsweihe bereits 72 Jahre alt. Laut Kirchenrecht muss ein Bischof mit 75 Jahren dem Papst seinen Rücktritt anbieten. 

Im Fall des Churer Oberhirten wird das Rücktrittsangebot dank der Sonderregelung erst zu dessen 77. Geburtstag in Rom erwartet. Ob der Papst es annehmen wird, ist eine andere Frage. Im Gegensatz zum emeritierten Vaduzer Erzbischof Haas ist Bonnemain in Rom und in der Schweiz unumstritten.

Junges Erzbistum, ganz alte Schule

Falls das Erzbistum Vaduz mittelfristig wieder in die Schweiz eingegliedert wird, wäre das Bistum Chur die naheliegende Lösung.  Seit seiner Gründung im 5. Jahrhundert gehörte Liechtenstein zu diesem Schweizer Bistum. Erst 1997 wurde das Gebiet herausgelöst, als der Vatikan den umstrittenen Bischof Wolfgang Haas aus Chur abzog. Haas’ konservative Führung hatte das Bistum in eine tiefe Krise gestürzt. Im neugeschaffenen Erzbistum Vaduz konnte Haas sein konservatives Kirchenverständnis ohne grosse Widerstände leben. 

Im Vergleich zur progressiven Deutschschweiz wirkt das Kirchenleben in Vaduz wie aus einer anderen Zeit. Es gibt keine Pastoralassistenten, keine Frauen im kirchlichen Dienst, keine Stellen für Laientheolog:innen. Priester und Kapläne prägen das Kirchenleben. Selbst das örtliche Kirchenblatt «In Christo» wird von einem Pfarrer geleitet.

 

Der Grund: Wolfgang Haas hat in seiner Zeit als Erzbischof mehr als 60 Priester geweiht und im kleinen Erzbistum inkardiniert. Dies ist eine beachtliche Zahl für eine Bevölkerung von etwa 40.000. Das Erzbistum Vaduz verfügt damit über eine ungewöhnlich hohe Klerikerdichte. Der Vaduzer Klerus ist nicht nur zahlreich, sondern gilt als homogen konservativ. Dies könnte es schwierig machen, einen Nachfolger zu finden, der bereit ist, das Erzbistum zu übernehmen. 

Erste Frau an der Spitze

Die designierte Regierungschefin Brigitte Haas gilt im Vergleich zu ihrem berühmten Cousin als modern. Die Juristin ist Geschäftsführerin der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer und würde als erste Frau an der Spitze der Regierung stehen.

Ob mit dem Regierungswechsel auch im Erzbistum Vaduz eine Modernisierung beginnt, bleibt offen. Eine Anfrage des «pfarrblatt» an Nuntius Martin Krebs zu den offenen Fragen und Entwicklungen in Liechtenstein blieb bisher unbeantwortet. 

Über Brigitte Haas’ kirchliche Haltung ist bisher wenig bekannt. Da in Liechtenstein Kirche und Staat besonders eng miteinander verflochten sind, ist ihre kirchenpolitische Positionierung ebenso relevant wie ihre familiäre Verbindung zu Wolfgang Haas.