Sylvia Stam, Redaktorin des "pfarrblatt". Foto: Pia Neuenschwander

Odyssee «Missio und Privatleben»: Niemand gibt klare Antworten

Anfang der Woche veröffentlichte das «pfarrblatt» einen Artikel zur Entkopplung von Missio und Privatleben. Die Recherche war ungewöhnlich mühsam: Statt  Antworten traf die Autorin vor allem auf Ausweichmanöver. Ein Kommentar.

 

Sylvia Stam

«Sie leben zölibatär oder verehelicht oder verwitwet (kirchlich anerkannte Lebensformen)». So lauten die Voraussetzungen für den Erhalt einer kirchlichen Beauftragung durch den Bischof, der sogenannten Missio. Für den Hintergrundbericht «Privatleben und Missio entkoppeln» möchte ich diese «kirchlich anerkannten Lebensformen» konkretisieren und ihre Grenzen auszuloten. Wie sich schnell herausstellt, ist das alles andere als ein leichtes Unterfangen. Statt klare Antworten von den zuständigen Verantwortungsträger:innen zu erhalten, werde ich von einer Stelle zur anderen verwiesen. 

Ein kompliziertes System

Die Gespräche mit Personen, die von Diskriminierung betroffen sind, weil sie geschieden wiederverheiratet sind oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, führen zu Nachfragen: Gelten für Katechet:innen, die nicht das akademische Religionspädagogische Institut (RPI), sondern die Ausbildung Formodula  der Landeskirchen absolviert haben, tatsächlich andere Bedingungen? Kann eine so ausgebildete Katechetin, die geschieden ist, oder eine, die mit einer Frau verheiratet ist, eine kirchliche Anstellung bekommen, jene mit der Ausbildung RPI hingegen nicht?

Ich richte diese Frage an die Berner Fachstelle Religionspädagogik. Infolge Ferienabwesenheit werde ich an die Abteilung Pastoral des Bistums verwiesen. Diese verweist mich infolge baldiger Ferienabwesenheit zurück an die Fachstelle. 

Ich wende mich daraufhin ans Bischofsvikariat und erhalte postwendend eine Antwort. Allerdings bleibt darin die Frage, ob auch das Privatleben einer Katechet:in Formodula den Bedingungen für eine Missio unterliege, offen. Ich werde stattdessen auf die Richtlinien verwiesen, die besagen, Katechet:innen mit dieser Ausbildung würden «durch die jeweilige Leitung der Pfarrei beauftragt». 

Schweigen und Lavieren

In Gesprächen höre ich derweil von weiteren Diskriminierungen, die auch Personen betreffen können, die nicht kirchlich verheiratet sind oder im Konkubinat leben.  

Ich möchte darum so konkret wie möglich erfassen, was als «kirchlich anerkannte Lebensform» gilt und was nicht. Ich stelle diese Frage einem Kirchenrechtler. Doch dieser möchte bei diesen «schwierigen Fragen» aussen vor bleiben und verweist mich ans Bistum. Ich schicke meine Fragen also an die Kommunikationsverantwortliche des Bistums: Gibt es eine Missio für Menschen, die geschieden sind und in neuer Partnerschaft, jedoch in getrennten Haushalten leben? Die standesamtlich, jedoch nicht kirchlich verheiratet sind? Die in einer Wohngemeinschaft verschiedener Geschlechter leben? 

Die Antwort kommt rasch und ist kurz: «Die Kommission für Theologie und Ökumene (TÖK) beschäftigt sich aktuell mit der Frage der Erteilung einer Missio im Kontext der sogenannten Lebensformen.» Diese Kommission wiederum hatte mir bereits mitgeteilt, dass sie noch voll im Prozess sei und über den Stand der Diskussion nichts sagen könne. 

Kulturwandel?

Selbst die Nachfrage, ob die Landeskirche Bern plane, sich des Themas «Entkopplung von Missio und Privatleben» anzunehmen, bedarf mehrerer Anläufe. Der Präsident der Sonderkommission der Luzerner Synode bestätigt mir, eine Bitte um Unterstützung an alle Landeskirchen des Bistums, als auch an die Landeskirche Bern, verschickt zu haben. Bei der Präsidentin des Landeskirchenrats sei die Bitte jedoch nicht angekommen, heisst es zunächst. Erst auf meine erneute Nachfrage findet sich das Mail doch noch. Ob das Thema traktandiert wird, bleibt jedoch nach wie vor offen. 

Die Forderung nach Entkopplung von Missio und Privatleben wurde zuerst im Herbst 23 von der RKZ formuliert, im Nachklang zur Publikation der Missbrauchsstudie. An der Präsentation derselben war viel von Kulturwandel die Rede. Dreimal haben die kirchlichen Player seither über den Stand der diversen Massnahmen informiert. Der Zwischenstand zur Entkopplung von Missio und Privatleben wurde dabei nur einmal erwähnt, nämlich letzten Herbst. Die umständliche Recherche zum «heissen Eisen» der Missio-Erteilung zeigt, wie weit die katholische Kirche Schweiz noch von einem Kulturwandel entfernt ist.