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Rom rügt Schweizer Bischöfe

Das Urteil aus Rom liegt vor. Der Vatikan rügt die Bischöfe Charles Morerod und Jean-Marie Lovey sowie Abt Jean Scarcella. Damit wurden vier von neun aktiven SBK-Mitgliedern dieses Jahr kirchenrechtlich abgemahnt. Die RKZ fordert Konsequenzen.

 

Annalena Müller

Roma locuta: Die Bischöfe Charles Morerod (Bistum LGF) Jean-Marie Lovey (Sitten) wurden ebenso vom Vatikan abgemahnt wie der sich aktuell im Ausstand befindende Abt von St. Maurice, Jean Scarcella. Damit haben vier von neun aktiven SBK-Mitgliedern dieses Jahr eine Rüge aus Rom erhalten. Bischof Felix Gmür war bereits im Februar wegen seines Umgangs mit dem «Fall Nussbaumer» gerügt worden.

SBK und Bistümer informieren

Die SBK kommuniziert die «kanonische Rüge» in einer Medienmitteilung am Freitagmorgen (18. Oktober). Die betroffenen Bistümer – LGF und Sitten – sowie die Abtei St. Maurice informierten zusätzlich in separaten Medienmitteilungen.

 

Das Bistum LGF schreibt in seiner Medienmitteilung: Der zuständige Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe, Kardinal Robert Prevost, begründet die Rüge an Charles Morerod damit, dass dieser «die kanonischen Verfahren nicht immer eingehalten» habe. Weiter kritisierte Kardinal Prevost, «dass es (im Bistum) keine vorherige Überprüfung der Eignung bestimmter Kandidaten für kirchliche Ämter auf der Grundlage objektiver und vorher festgelegter Kriterien gibt.» 

Sitten und St. Maurice spielen herunter

Auch das Bistum Sitten wird kanonisch gerügt. In Sitten hat das zuständige Dikasterium festgestellt, dass die Anzeige eines mutmasslichen Missbrauchs in Rom von Seiten Bischof Jean-Marie Lovey «mit einer unzulässigen Verzögerung gemacht wurde, so dass die vom kanonischen Recht geforderten Fristen erheblich verletzt wurden.» 

Von einer «Entlastung» durch den Vatikan, wie das Bistum Sitten seine Medienmitteilung überschreibt, kann hier also keine Rede sein. Denn das Verzögern von Verfahren ist im Kirchenrecht ein strafbares Verhalten von Bischöfen. Und just für dieses Verhalten wurde Jean-Marie Lovey kanonisch gerügt. Vertuscht hat der Bischof allerdings auch nicht.
 

 

Am schärfsten fällt die Rüge wohl für den sich im Ausstand befindlichen Abt von St. Maurice, Jean Scarcella, aus. Auch wenn kein Missbrauch oder Grenzverletzungen «im eigentlichen Sinne bewiesen werden konnte», so herrschte in der Abtei doch ein ambivalenter und unangebrachter Umgang der Kleriker («une attitude ambiguë et non conforme à la prudence attendue pour des clercs dans les relations interpersonnelles»). 

RKZ nimmt Stellung

RKZ-Generalsekretär Urs Brosi sagt gegenüber dem «pfarrblatt», dass man erwarte, dass die Betroffenen die Urteile aus Rom ernstnähmen. Befragt zu St. Maurice bekräftigt Brosi, dass die RKZ davon ausgehe, dass Jean Scarcella die entsprechenden Schlüsse ziehen und nicht in sein Amt zurückkehren wird. Nicht allein wegen der ihm vorgeworfenen Grenzverletzungen, sondern auch, weil er als Abt die Verantwortung trage für eine jahrelange Kultur des Übergriffs. Diese sei sowohl im Bericht aus Rom beanstandet als auch von der Walliser Staatsanwaltschaft festgestellt worden, so Brosi.
 

 

Zu dem Umstand befragt, dass es innerhalb eines Jahres vier Rügen gegen Mitglieder der SBK gab, sagt Brosi: «Es zeigt, wie wichtig die Massnahmen sind, die wir nach dem 12. September 2023 ergriffen haben. Dass Beratungsstellen unabhängig der Bistümer existieren und dass wir die Meldestrukturen national vereinheitlichen. Das Urteil aus Rom zeigt, dass nicht jedes Bistum und Abtei individuelle Lösungen suchen, sondern dass es professionelle einheitliche Strukturen braucht.»

Kanonische Rüge mit Abmahnung vergleichbar

Eine kanonische Rüge ist in etwa mit einer Abmahnung im Schweizer Arbeitsrecht vergleichbar. Wie Kirchenrechtler auf Nachfrage des «pfarrblatts» bestätigen, kennt Rom – vereinfacht gesagt – drei Antworten auf kanonische Voruntersuchungen: Freispruch, Rüge oder Amtsenthebung. Entsprechend spricht das zuständige Dikasterium sie nicht leichtfertig aus, sondern nur, wenn etwas Erhebliches vorgefallen ist. Das zeigen verschiedene Fälle in der Vergangenheit, in der Rom trotz aufwendiger Voruntersuchungen nicht gerügt hat.

Die aktuelle Untersuchung war das Resultat von Vorwürfen, die Nicolas Betticher in einem Schreiben an Nuntius Martin Krebs im Mai 2023 erhoben hat. Betticher, heute Pfarrer der Berner Pfarrei Bruder Klaus, war früher Generalvikar des Bistums Lausanne, Genf und Freiburg. 

In einem Communiqué bestätigt Betticher, dass er das Ergbenis der Untersuchung zur Kenntnis nehme. Und schreibt weiter: «Jeder gerügte Bischof wird sich die Frage stellen müssen, wie er weiterhin sein Amt im Licht der Wahrheit und der Gerechtigkeit ausüben kann.»