Auf dem Jakobsweg nach Heitenried
Im Land der Wegkreuze, Bethäuschen und Kapellen
Der Jakobsweg führt im freiburgischen Heitenried gleichsam an einer Kapellen-Landschaft vorbei. Es ist eine Gegend geprägt von Volksfrömmigkeit und Brauchtum. Ein persönlicher Besuch.
Text: Andrea Huwyler
Fotos: Pia Neuenschwander
Die Statue des Hl. Jakobus schaut in seinem Bethäuschen ernst und ist – wie könnte es anders sein – ins Studium der Bibel vertieft… Von Schwarzenburg kommend, habe ich eine reichliche Stunde zu Fuss auf der alten «Fryburg Stras» hinter mir und bin noch gedanklich bei den schattigen Hohlwegen, die zwischen bemoosten Sandsteinfelsen jeweils vor und nach dem Sensegraben Geschichte atmen. Sogar Trittlöcher, die früher die Fuhrleute benutzten, um an der engen Stelle ausweichen zu können, sind beim «Torenöli» noch eindeutig zu erkennen. Der Weg ist ein Abschnitt des Jakobswegs nach Fribourg, was nach Überquerung der Sense im Nachbarkanton auch durch verschiedenste Wegweiser mit dem Jakobsmuschel-Symbol sofort sichtbar wird.
Am Jakobsweg
Kurz vor Heitenried wirkt dieses Bethäuschen neben hügeligen Wiesen auf mich wie ein Tor zu einer anderen Landschaft. Ich bin angekommen im Freiburgischen, dem Land der Wegkreuze, Bethäuschen und Wegkapellen. Die Pfarrkirche St. Michael thront über dem Ort. Von hier aus kann man den einst so bedeutenden Pilgerweg bis nach St. Antoni in zwei Varianten einschlagen. In den Weilern des Gemeindegebiets trifft man immer wieder auf blumengeschmückte Wegkreuze, charakteristische Bauernhäuser aus dem 17. bis 19. Jahrhundert – und natürlich die Kapellen. Alle sind sie nicht weiter als zwei Kilometer vom Ortskern entfernt, zwei davon liegen sogar direkt am Jakobsweg.
Sinnliche Eindrücke
Die kleinen Kapellen mit den dünnen Türmchen berühren mich. Ihre Türen sind offen, die Fenster überall geputzt, im Inneren brennen Kerzen, frische Blumen stehen auf dem Altar. Ich kann es schwer fassen, in dieser ländlichen Gegend so unerwartet von alten Fresken, geschnitzten Heiligenstatuen, Marmor, Gemälden, goldenen Rahmen oder gar Reliquien umgeben zu sein. Wie konnten die einst hier ansässigen Bauern diese Gebetsstätten und deren kostbare Ausstattung finanziell ermöglichen? Oder wer nahm sich die Zeit, den Felsen zur Magdalenakapelle auszuhöhlen? Geschah das etwa nach der täglichen Feldarbeit? Wie viele Menschen brauchte es wohl dazu? In diesen teilweise winzigen Räumen treffe ich auf Gebetsvorschläge, beispielsweise für das «Wohl von Haus und Hof, Feld und Flur und das Gedeihen der Haustiere» oder Gesangbücher, die sichtlich schon öfter aufgeschlagen worden sind. Und ich ahne, dass sich hier in dieser Umgebung auch ganz andere Facetten der Religiosität erhalten haben als die mir vertrauten aus dem reformiert geprägten Bern. Ich empfinde es als bodenständiges Urvertrauen, das hier bis heute im Alltag verankert und stark gefühlsbetont zu tragen scheint. Im Nebeneinander von historischen Kunstwerken und der zusätzlichen sehr heutigen Ausschmückung der Kapellen wird mir deutlich: diese spirituellen historischen Orte sind keine Museen - ihnen fühlen sich Menschen verbunden! Wer also sucht hier Ruhe, betet, zündet Kerzen an? Auf dem Rückweg, hinunter zum Sensegraben, beschliesse ich, jemanden zu finden, der das wissen könnte.
Heitenried
www.pfarrei-heitenried.ch
(Rubriken «Über uns», Liegenschaften)
Anreise ab Bern: S6, Bus 181 oder S1, Bus 182 Fahrplan, Wegkarte Jakobsweg: www.schweizmobil.ch (Rubriken Wanderland, Routen – Nationale Routen, Via Jacobi, Etappen 4.13: Schwarzenburg – Fribourg)
Wanderweg: vom Bahnhof Schwarzenburg nach Heitenried: 1.15 h (gelber Wanderweg).
Die Weiler mit den Kapellen sind vom Ortszentrum Heitenried ausgeschildert.
Tagsüber offen: St. Mauritius, Wiler vor Holz; St. Nikolaus und 14 Nothelfer, Selgiswil; St. Josef, Hinter Schönfels; Apollonia-Kapelle, Winterlingen; Magdalenakapelle, Magdalenenwald
Weitere Infos zu den Kapellen, Bildstöcken und Wegkreuzen
Einkehrmöglichkeit: in Heitenried (Dorfstrasse)