Kapellenpflege als Ehre und Pflicht
Ein Interview mit Heinrich Meyer, ehemaliger Pfarreipräsident von Heitenried
Heinrich Meyer, der ehemalige Pfarreipräsident von Heitenried, kennt den Ort bestens und hat sich intensiv mit seiner Geschichte beschäftigt. Im Interview erzählt er vom lebendigen Glauben in der Region, der bis heute auch von den Jugendlichen gelebt wird.
Interview: Andrea Huwyler
«pfarrblatt»: Wie kommt es, dass der Glaube hier im Sensebezirk so stark verankert war und so viele sakrale Bauten gestiftet wurden?
Heinrich Meyer: Einerseits war die Bevölkerung von Freiburg mehrheitlich landwirtschaftlich beschäftigt und arm. Grosse Familien, oft mit sechs bis zwölf Kindern. Da war der Glaube sehr lebendig, weil man von Tag zu Tag das Überleben einteilen musste und ganz auf Gottvertrauen baute. Unerwartet schwere Krankheiten, eine Tierseuche oder Feuersbrunst waren oftmals für eine Familie der Ruin, denn Versicherungen gab es noch nicht. Das tägliche Morgen-, Mittag- und Abendgebet, abends meistens der Rosenkranz, hatte in den Familien einen festen Platz.
Noch bis in den 1960er fand man in jedem Haushalt mehrere Kreuze, Weihwassergefäss, Bilder vom Herzen Jesu und Maria, sowie eine Statue vom Bruder Klaus. Andererseits vermute ich, weil die Gegenreformation in Freiburg unter Mitwirkung des Hl. Petrus Canisius sehr heftig war. Freiburg wurde lange von den Patriziern regiert, welche vor allem Beziehungen zum katholischen Frankreich pflegten. Viele Junge Freiburger standen als Söldner im Militärdienst der französischen Könige.
Ist auch heute von den Pilgern etwas zu spüren?
Ich wohne an der Pilgerstrecke und ab 1980 nahm das Pilgern merklich zu, von April bis Oktober pilgern fast alle Tage Leute auf dem Jakobsweg. Vor allem über die Ostertage, Auffahrt, Pfingsttage und während den Sommerferien.
Gibt es regelmässige Gottesdienste und Andachten in den Kapellen? Gibt es da lokale Besonderheiten?
Das Besondere ist, dass in der Regel die Mehrheit der Bevölkerung – auch Jugendliche – des jeweiligen Weilers am Gottesdienst teilnehmen. Bei Platzmangel, beispielsweise in Winterlingen, bleiben die Teilnehmer*innen vor der Kapelle. An den Bitttagen vor Christi Himmelfahrt führen jeweils Prozessionen mit Rosenkranzgebet über die Felder nach Winterlingen, Schönfels oder Selgiswil, wo jeweils ein Bittgottesdienst zum «Schutz für Kulturen und Verschonung vor Ungewittern» abgehalten wird.
An den Fronleichnamsprozessionen im Ort beteiligen sich jeweils 200 bis 300 Personen, inklusive Erstkommunionkinder, Kränzlitöchter, Musikgesellschaft, Chor und Delegationen der verschiedenen Vereine – natürlich mit Fahnen. Erwähnen will ich noch, dass die Magdalena-Kapelle fast täglich, am meisten am Sonntag, von Wanderern besucht wird. Es werden allein hier im Jahr über 2‘000 Kerzen angezündet und mit einem Anliegen verbunden. Immer im Mai findet eine öffentliche Andacht zur Muttergottes, und am Patrozinium der Heiligen Magdalena ein Gottesdienst statt.
Wer kümmert sich um die Kapellen?
Diese werden von den Familien gepflegt, auf deren Höfen und Land sie stehen. Es wird als Ehre und Pflicht empfunden, die Kapellen, Bildstöcklein und Wegkreuze zu pflegen. In Wiler vor Holz, Selgiswil, Schönfels und Winterlingen wird die Betreuung von Generation zu Generation weitergegeben. Die Pfarrei zahlt jährlich eine Pauschale von Fr. 150.- an die Betreuer*innen und lädt jeweils im November zu einem sogenannten Helfer*innen-Essen ein.