Grosses Interesse am Festakt zum 150jährigen Jubliäum der christkatholischen Theologie an der Uni Bern. Foto. Nik Egger

150 Jahre christkatholische Theologie: «Nicht mit der halben Wahrheit zufriedengeben»

Seit 150 Jahren kann man an der Universität Bern christkatholische Theologie studieren. Dieses Jubiläum feierte das Institut für Christkatholische Theologie mit einer internationalen Konferenz.


Elisabeth Zschiedrich

Bei dem öffentlichen Festakt am 21. November betonte der Dekan der Theologischen Fakultät, Andreas Wagner, die Besonderheit der ökumenischen Zusammenarbeit in Bern. Es sei «identitätsbildend» für die heutige Fakultät, dass die christkatholische Forschung und Lehre hier seit über zwanzig Jahren mit der evangelischen Theologie eine gemeinsame Fakultät bilde. 

Zusammenspiel von Universität, Kirche und Gesellschaft 

Die Direktorin des Instituts für Christkatholische Theologie, Angela Berlis, unterstrich die Bedeutung der ökumenischen und interreligiösen Verbundenheit für ihr Fach. Christkatholische Theologie existiere nicht für sich selbst. Gemeinsam mit anderen Theologien übernehme sie ihren Part im Zusammenspiel von Universität, Kirche und Gesellschaft. 

Die Christkatholische Kirche entstand zwischen 1872 und 1876. Liberale Katholiken wollten die neuen Lehren des Ersten Vatikanischen Konzils über die Unfehlbarkeit und die oberste Rechtsgewalt des Papstes nicht mittragen. Im Winter 1874 wurde an der Universität Bern aus diesem Umfeld heraus eine neue Katholisch-Theologische Fakultät gegründet, die auch orthodoxe und anglikanische Studierende anzog.

Synodale Kirchenstruktur

In der Schweiz zählt die Christkatholische Kirche heute rund 12'000 Mitglieder. Ihre Struktur orientiert sich am synodalen Aufbau der Alten Kirche des ersten Jahrtausends. Deshalb wird sie in anderen Ländern auch als Altkatholische Kirche bezeichnet. Die Christkatholische Kirche der Schweiz wird von Bischof und Synodalrat gemeinsam geleitet, dessen Mitglieder von der Nationalsynode gewählt werden.
 

 


Die Hauptrede des Festakts zum 150-jährigen Jubiläum der Christkatholischen Theologie an der Universität Bern hielt der ehemalige Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams. Unter dem Titel «What is Catholic Theology Today?» betonte er die christliche Verantwortung, unter anderem für die Umwelt und die Menschen. «Katholisch» verstand er dabei nicht in einem konfessionellen Sinn, sondern in einem umfassenderen Sinn als Kennzeichen der Kirche.

Gott und Mensch in ihrer Ganzheit sehen

Eine solche «katholische Theologie» dürfe sich, so Williams, nicht mit der «halben Wahrheit» zufriedengeben. Sie müsse Gott und den Menschen in ihrer Ganzheit sehen. Gott habe die Menschen in ihre Freiheit entlassen. Der Mensch habe zugleich positive Kraft als auch zerstörerische Wirkung. Beide müsse katholische Theologie im Blick behalten. Sie müsse die Ursprünge ihrer Lehre kennen und diese mit dem heutigen Bild Gottes in den Menschen verbinden. Angesichts der religiösen und kulturellen Vielfalt sei es Aufgabe der Theologie, offen zu sein für andere Traditionen.

Mit Blick auf die Zerstörung der Umwelt müsse sie daran erinnern, dass der Mensch eingebettet sei in die Schöpfung Gottes. Ein «katholischer Geist» sei sich der Interaktion der Welt und der wechselseitigen Abhängigkeit von Mensch und Umwelt bewusst. Gemeinschaft, Gastfreundschaft und Beziehungen zwischen den Menschen seien wesentliche Elemente katholischer Theologie. Die Theologie stehe «nicht am Ende der Entdeckungen, sondern am Anfang».

Grussworte aus Politik und Kirche 

Verschiedene Grussworte bildeten den zweiten Teil des Festakts. Dominique Bühler, Grossratspräsidentin des Kantons Bern, würdigte das Theologiestudium als «Leuchtturm der Bildung». Markus Brönnimann, Verwaltungsdirektor der Universität Bern, zog Parallelen zwischen der Universität mit den von ihr vertretenen Werten und einer christlichen Gemeinde.

Frank Bangerter, Bischof der Christkatholischen Kirche der Schweiz, betonte, die Kirche stehe im Dienst der Menschen. Glaubwürdigkeit sei ihre grösste Herausforderung und zugleich ihre grösste Chance. Judith Pörksen Roder, Synodalratspräsidentin der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, würdigte die Zusammenarbeit von evangelischer und christkatholischer Theologie an der Universität Bern als gelungenes Beispiel für ein gemeinsames Streben nach Wahrheit. 

«Ausbildungsstätte par excellence» 

Christoph Schuler, Präsident der christkatholischen Landeskirche, betonte die Bedeutung des Instituts für christkatholische Theologie als «Ausbildungsstätte par excellence» für den Kirchendienst der Landeskirche. Felix Gmür, Bischof von Basel und Präsident des Rates der Religionen, würdigte das Institut für christkatholische Theologie als «Brückenbauer» in der Verständigung der Religionen. Joachim Negel, Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg i. Ü., unterstrich schliesslich die Bedeutung eines gemeinsamen Glaubens an einen Gott, vor dem sich alle «Wahrheitsansprüche» der heutigen Zeit relativierten.