
Die Schweizer Bischöfe melden sich aus der Klausurtagung - und versuchen sich in Schadensbegrenzung. Foto: SBK
Bischofskonferenz und RKZ reagieren irritiert auf Rückkehr von Abt Scarcella
Ungewöhnlich schnell melden sich die Bischöfe zu Wort. Auch die RKZ findet nach anfänglicher Schockstarre klare Worte zur Rückkehr von Jean Scarcella.
Annalena Müller
Anscheinend wusste niemand Bescheid – aber offenbar sind sich alle der Signalwirkung dieses Schrittes bewusst. Sowohl die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) als auch die Römisch-Katholische Zentralkonferenz (RKZ) äusserten sich noch am selben Abend zur Ankündigung aus St. Maurice – mit kaum verhohlener Irritation.
Rückkehr trotz Rüge
Am Dienstagnachmittag teilte Jean Scarcella in einer Medienmitteilung mit, dass er sein Amt als Abt von St. Maurice wieder aufgenommen habe. Scarcella war nach einer kanonischen Voruntersuchung wegen Missbrauchsvorwürfen offiziell von Rom gerügt worden – eine Massnahme, die in etwa einer Abmahnung im Schweizer Arbeitsrecht entspricht.
Für die katholische Kirche der Schweiz ist diese Ankündigung ein herber Rückschlag im Ringen um verlorenes Vertrauen der Öffentlichkeit. Seit der Veröffentlichung der Pilotstudie zu sexuellem Missbrauch im kirchlichen Umfeld haben die Vertreter:innen der kirchlichen Dachverbände – SBK, RKZ und KOVOS – verschiedene Massnahmen zur Missbrauchsprävention und Bekämpfung von Missbrauch ergriffen. Dass nun ein ranghoher Kirchenvertreter, der selbst Mitglied der Schweizer Bischofskonferenz ist, auf seine Rückkehr ins Amt besteht, ist ein Problem für die Kirche und das Ansehen ihrer führenden Vertreter.
SBK meldet sich aus Klausurtagung
Als Erste melden sich die Schweizer Bischöfe zu Wort. Sie halten derzeit ihre Vollversammlung in Fischingen (TG) ab. Normalerweise dringt aus der Klausur der SBK nichts nach aussen. Umso bemerkenswerter ist es, dass nur wenige Stunden nach der Ankündigung aus St. Maurice eine Medienmitteilung veröffentlicht wurde. Es dürfte der Eile geschuldet sein, dass sie nur auf Französisch und nicht wie üblich auch auf Deutsch versandt wurde.
In der Mitteilung heisst es: «Die Schweizer Bischofskonferenz nimmt die Rückkehr von Mgr. Jean Scarcella ins Amt zur Kenntnis.» Aus dem kurzen Statement (siehe Infobox) geht hervor, dass die SBK im Vorfeld nicht über diesen Schritt informiert war. Und wer den bischöflichen Duktus kennt, erkennt schnell, dass die SBK die Entscheidung aus St. Maurice nicht gutheisst.
Die Mitteilung betont, dass die Rückkehr des Abtes formaljuristisch zulässig sei. Jean Scarcella war nach Bekanntwerden der Vorwürfe und der Untersuchung 2023 freiwillig in den Ausstand getreten. Da er von der Schweizer Justiz nicht verurteilt wurde (aufgrund von Verjährung) und von Rom lediglich eine Rüge, aber keine Amtsenthebung erhielt, konnte er sein Amt nun wieder antreten. Die Bischöfe verweisen darauf, dass das zuständige Dikasterium Scarcella die Wiederaufnahme seines Amtes zugestanden habe, da dies gegen kein Recht verstosse. Nach Unterstützung klingt das nicht – im Gegenteil.
Weiter betont die SBK, dass sie «keine weiteren Informationen über die Entscheidung des Dikasteriums» habe und «daher keine weiteren Erklärungen abgeben» könne. Die Mitteilung endet mit einem Bekenntnis zum «Engagement für die Umsetzung von Präventions- und Interventionsmassnahmen im Bereich des Missbrauchs». Schadensbegrenzung aus Fischingen.
RKZ findet klare Worte
Deutlich klarer äussert sich der Dachverband der Landeskirchen. Auf Anfrage des «pfarrblatt» erklären Präsident Roland Loos und Generalsekretär Urs Borsi ihr Unverständnis und Bedauern über diesen Schritt.

«In Anbetracht der öffentlich verfügbaren Informationen über den Abt und verschiedene Mitglieder der Abtei St. Maurice im Unterwallis bedauern wir, dass Abt Jean Scarcella sich entschieden hat, sein Amt wieder aufzunehmen. Denn einerseits sind viele Menschen, vor allem in der Westschweiz, unangenehm berührt durch das Wegwischen von Verantwortung. Andererseits beschädigt es die Glaubwürdigkeit der Massnahmen, welche die RKZ und die KOVOS zusammen mit der Schweizer Bischofskonferenz mit viel Engagement gegen den Missbrauch ergreifen, wenn Abt Scarcella wieder Mitglied dieser Bischofskonferenz wird.
Die Generalstaatsanwältin des Kantons Wallis, Beatrice Pilloud, hat am 17. Oktober 2024 die Einstellung diverser Verfahren ausdrücklich infolge Verjährung verfügt und nicht weil die Vorwürfe unbegründet wären. In Interviews hat sie dies auch zum Ausdruck gebracht.
Wenn Abt Jean Scarcella die juristische Entscheidung zur Einstellung der Verfahren gegen ihn und seine Mitbrüder nun im Sinn einer moralischen Unbedenklichkeit interpretiert, so ist dies vor allem von einem Mann der Kirche nur schwer zu verstehen. Seit 2009 ist er in leitender Funktion in der altehrwürdigen Abtei tätig, seit 2015 ist er deren Abt. Da trägt er unweigerlich eine Verantwortung für das, was sich in diesen Jahren zugetragen haben soll.
Wir bekräftigen von unserer Seite, was heute auch die Schweizer Bischöfe festgehalten haben, dass wir nämlich unser Engagement für die Umsetzung von Massnahmen zur Prävention und Intervention im Bereich des sexuellen Missbrauchs entschlossen weiterführen werden. Wir schätzen ausserordentlich, dass wir in den letzten Monaten sehr intensiv und konstruktiv mit der Bischofskonferenz und der KOVOS zusammenarbeiten konnten und dass wir heute gemeinsam auf diesem Weg sind.»
SBK-Mitteilung in deutscher Übersetzung
Die Schweizer Bischofskonferenz nimmt die Rückkehr von Msgr. Jean Scarcella ins Amt zur Kenntnis
Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK), die vom 10. bis 12. März 2025 in Fischingen tagt, hat die Zustimmung des Dikasteriums für die Bischöfe zur Wiederaufnahme der Amtsgeschäfte von Msgr. Jean Scarcella zur Kenntnis genommen. Er hatte sein Amt am 13. September 2023 infolge einer gegen ihn erhobenen Anschuldigung niedergelegt.
Das Dikasterium für die Bischöfe nannte als Begründung für seine Zustimmung ausschliesslich die Einhaltung des rechtlichen Rahmens. Wie die Schweizer Justiz hält sich auch die kirchliche Gerichtsbarkeit an die rechtsstaatlichen Prinzipien. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis hatte ihre Einstellung des Verfahrens mit der Unmöglichkeit, die Sachlage festzustellen, sowie mit der Verjährung begründet.
Abgesehen von diesen Aspekten haben die Mitglieder der SBK keine weiteren Informationen über die Entscheidung des Dikasteriums und können daher keine weiteren Erklärungen abgeben.
Die SBK setzt ihr Engagement für die Umsetzung von Präventions- und Interventionsmassnahmen im Bereich des Missbrauchs weiterhin fort.»