Sie kennt Papst Franziskus persönlich: Helena Jeppesen-Spuhler (hier mit Bischof Felix Gmür an der Weltsynode im Herbst 2024). Foto: zVg
Helena Jeppesen Spuhler: «Franziskus ist ein Papst der Überraschungen»
Die Delegierte der Weltsynode teilt ihre ersten Eindrücke zur Autobiographie von Papst Franziskus. Besonders das Bekenntnis des Papsts zu mehr Teilhabe der Frauen – auch als Diakoninnen – hat sie gefreut.
Helena Jeppesen-Spuhler*
Vor ein paar Wochen kündigte Papst Franziskus in einem Interview mit einem argentinischen Fernsehsender das Erscheinen seiner Autobiografie an mit der humorvollen Bemerkung: «Eigentlich wollte ich, dass sie nach meinem Tod veröffentlicht wird, aber da ich immer weiter lebe und das Buch schon geschrieben ist, gebe ich es nun heraus!» Franziskus entschied, nicht mehr abzuwarten und die spirituelle und politische Botschaft des Buches gerade wegen der aktuellen weltpolitischen Lage herauszugeben.
Keine Kirche, die sich um sich dreht
Lebensgeschichten interessieren und faszinieren mich. Deshalb liebe ich es, mich in Biografien zu vertiefen, auch wenn sie so umfangreich sind wie «Hoffe» von Papst Franziskus! Die ersten Passagen des Buches, die ich schon lesen konnte, sind kurzweilig. Sie zeigen den nahbaren, humorvollen Papst Franziskus.
Was ich den Stellen entnehme, ist auch das, was ich an den Synodenversammlungen erlebt habe. Franziskus hat sein Pontifikat auf die Erneuerung der Kirche ausgerichtet, die er synodal strukturieren will. Er hat ein gutes Gespür und ist ein guter Zuhörer. Ausgehend von der Realität analysiert er oft schonungslos, wie er die Weltlage oder den Zustand der katholischen Kirche sieht. Er will eine Kirche, die nicht um sich selbst dreht, sondern an den Brennpunkten der Welt präsent ist und «sich die Hände schmutzig macht», wie er am Schluss der Weltsynode betont hat.
Bewegung in Frauenfrage
Die Beratungen und Beschlüsse der Synode sind Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung und Veränderung in der Kirche. Das unterstreicht er in seiner Biografie mit der Aussage, dass Frauen und nichtgeweihte Männer in Führungspositionen der Kirche gefördert werden un der Zugang der Frauen zum Weiheamt Diakonat geprüft werden müsse. Gerade um diese Themen hatten die Weltsynode und zuvor schon die Amazoniensynode gerungen.
Die klaren Aussagen von Franziskus freuen mich. Dass er sie nach den Synodenversammlungen auch in die Biografie aufgenommen hat, wird alle freuen, die sich im synodalen Prozess und schon vorher für Gleichberechtigung und Teilhabe aller in der Kirche eingesetzt haben.
Und sie haben Gewicht. Denn sie zeigen, dass Bewegung auch an höchster Stelle möglich ist. Papst Franziskus hat vor und zu Beginn der zweiten Etappe der Weltsynode (Oktober 2024) die Öffnung von Weiheämtern für Frauen abgelehnt. »Die Frage ist noch nicht reif» war der Tenor der Eröffnung der Synoden-Sitzung. Die Synode hat mit und um die Frauenfrage gerungen. Am Ende hat die Synode in der Frage Position bezogen. Artikel 60 des Abschlussdokuments erinnert an die Gleichheit der Würde aller Getauften.
Auftrag an die Kirche
Franziskus zitiert in seiner Autobiografie diesen Artikel wörtlich: «Es gibt keinen Grund, warum Frauen keine Führungsaufgaben in der Kirche übernehmen sollten». Und er bekennt sich zur Prüfung der Öffnung des Diakonats: «Auch die Frage, ob Frauen zum Weiheamt des Diakonats zugelassen werden sollten, ist eine offene Frage». Diese Passagen zeigen, dass es Bewegung selbst in festgefahrenen Fragen gibt.
Wenn es für den Papst möglich ist, dann erst recht für alle anderen. Daher verstehe ich diesen Passus der Autobiografie auch als Auftrag an alle, in der Frage der Gleichberechtigung voran zu machen. Denn, in den Worten von Papst Franziskus: «Das, was der Heilige Geist uns beschert, sollten wir nicht aufhalten.»
Franziskus ist ein Papst der Premieren und der Überraschungen: er überraschte am 6. Januar mit der Ernennung der ersten Präfektin eines Dikasteriums im Vatikan. Nach den Premieren der ersten Untersekretärin im Generalsekretariat der Synode, den ersten 54 Frauen mit Stimmrecht in einer Bischofssynode, den ersten Frauen, die eine Bischofssynode geleitet und das Schlussdokument einer Bischofssynode mitgeschrieben haben, scheint Franziskus auch im hohen Alter von 88 Jahren weitere Überraschungen bereit zu halten. A ver….wir werden sehen.
Den Auszug aus der Autobiografie zur Frauenfrage können Sie hier lesen.
*Helena Jeppesen Spuhler (*1966 im Aargau) war eine von 54 weiblichen Delegierten an der Weltsynode (2023-24). In der Schweiz ist sie Mitglied der Synodalitäts-Kommission, welche die Umsetzung der Weltsynode in der Schweiz begleitet. Sie arbeitet beim Hilfswerk Fastenaktion.