Auf dem Berner Waisenhausplatz teilen Passanten ihre Meinung zur katholischen Kirche. Fotos: Sarah Gloor.

Welche Antworten auf die Reputationskrise der Kirche?

Es ist offiziell: Die katholische Kirche der Schweiz hat einen miserablen Ruf. In Zürich und Bern sucht man nach Lösungen.


Annalena Müller

Es ist ein sonniger Nachmittag in Bern, an dem die Journalistin und die Social-Media-Redaktorin des «pfarrblatt» Passantinnen und Passanten ansprechen, um sie nach ihrer Meinung zur Kirche zu fragen. Im Gegensatz zur aktuellen «Sotomo»-Umfrage zur Reputation der Kirche ist unsere nicht repräsentativ. Dennoch zeigt sie die gleichen Problemstellen auf.

Zölibat und Frauen 

Seit 20 Jahren seien Missbrauch und die katholische Kirche ein Thema, so ein Herr im Pensionsalter. Ein grundlegendes Problem sieht er im Zölibat und dem kirchlichen Umgang mit Frauen. «Wenn der Papst hier einen wirklichen Schritt nach vorne macht, dann wird das andere auch kein so grosses Problem mehr sein», ist er überzeugt.
 


Auf Nachfrage, ob er nicht auch Gutes mit der Kirche verbinde, sagt er: «Ich engagiere mich für das Kinderhospiz «Allani». Als ich gehört habe, dass es von der katholischen Kirche mitgetragen wird, war ich sehr erstaunt.» Die Kirche solle mehr über ihr Engagement sprechen, findet er. Vielleicht würde das etwas an ihrem schlechten Image ändern.

«Ein Scherbenhaufen» 

Ein anderer Herr sieht ebenfalls im Zölibat und den «veralteten kirchlichen Strukturen» den Grund vielen Übel. «Und diese ganze Herrlichkeit nach aussen, dabei ist es innen ein einziger Scherbenhaufen.»
 


Um Vertrauen zurückzugewinnen, müsse sich die Kirche für die Menschen öffnen, besonders «gegenüber den Armen», und Frauen als Priesterinnen zulassen. Das soziale Engagement der Kirche – von Caritas über Spital- und Asylseelsorge – kommt ihm hingegen nicht in den Sinn, wenn er «katholische Kirche» hört.

Skandale, aber auch Gemeinschaft 

Auf dem Waisenhausplatz geniesst eine junge Frau ihre Mittagspause. Angesprochen auf die katholische Kirche, denkt auch die Frau zunächst an «die vielen Skandale». Aber das sei nicht «ihre grundsätzliche Haltung». Denn die Kirche sei ein Ort, der Gemeinschaft und Zugehörigkeit fördere und daher sehr wertvoll sei.
 


Um Vertrauen zurückzugewinnen, müsse die Kirche allerdings zu den Skandalen stehen. Die Probleme «konfrontieren und Aufklärungsarbeit leisten, statt unter den Teppich zu kehren», fordert sie.

Was machen mit dem Wissen? 

Unsere Strassenbefragung deckt sich mit dem Bild, das die repräsentative Umfrage der Zürcher Kantonalkirche diese Woche gezeichnet hat: Die Skandale und die als veraltet empfundenen Strukturen dominieren die Wahrnehmung der katholischen Kirche in der Bevölkerung. Ihr gesellschaftliches Engagement und die Gemeinschaft werden als positiv wahrgenommen – wenn sie denn wahrgenommen werden.

Die Frage, die sich nach den Interviews ebenso wie nach der Umfrage stellt, ist: Was macht man mit diesen Erkenntnissen, die man lange erwartet und nun schwarz auf weiss hat? Nicht nur auf dem Berner Waisenhausplatz, auch in den kirchlichen Zentralen in Zürich und Bern macht man sich dazu Gedanken.
 

 


Zürich geht in die Offensive 

In Zürich arbeitet man bereits an einer kommunikativen Offensive. Dafür hat die Kantonalkirche den Reputationsexperten David Schärer engagiert. Schärer erlangte in Kommunikationskreisen landesweite Bekanntheit, als er während der Pandemie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) beriet. Basierend auf den Erkenntnissen der «Sotomo»-Umfrage soll Schärer in den nächsten Monaten ein Konzept erarbeiten. 

Auf Anfrage des «pfarrblatt» sagt Kirchen-Sprecher Simon Spengler: «Die Umsetzung soll rasch beginnen, schwerpunktmässig aber 2026 sichtbar sein». Der Zeitplan ist kein Zufall. Die Zürcher wollen sich ein Jahr bevor die finale Studie zum Missbrauch im kirchlichen Umfeld im Herbst 2027 veröffentlicht wird, in eine bessere Ausgangsposition bringen.

Ob eine Kommunikationskampagne dafür der richtige Weg ist, wird man sehen. Aber die Zürcher wagen den Versuch und lassen ihn sich etwas kosten. Das genaue Budget stehe zwar noch nicht fest, so Spengler. Aber «wir rechnen mit einem kleineren sechsstelligen Betrag.» Sichtbarkeit koste und: «Wenn man etwas erreichen will, muss man auch Geld in die Hand nehmen. Sonst ist es hinausgeworfenes Geld.»

Bern macht erste Schritte 

Auch in Bern setzt man auf Kommunikation. Die Berner Landeskirche leistet sich seit 2024 ein «Kompetenzzentrum für Kommunikation», dem ein Jahresetat von etwa 800'000 Franken zur Verfügung steht. Dessen Leiter, Charles Martig, hat die Studie aufmerksam gelesen. «Wir werden die Ergebnisse auswerten und für unsere Arbeit nutzen.»

Eine Kommunikationskampagne hält Martig für einen guten Weg. «Ich sehe darin eine wichtige Aufgabe des Kompetenzzentrums Kommunikation. Wir beraten die kirchlichen Gremien im Kanton Bern in Sachen Reputationsverlust, insbesondere auch zu wirksamen Antworten darauf.» Wie diese Antworten auf einen Reputationsverlust aussehen können, liess Martig offen. Ebenso die Frage, ob es konkrete Pläne gebe. Er verweist auf den laufenden Lernprozess.
 

 

Strasseninterviews

Die Interviews wurden im Herbst 2024 geführt.  Die im Artikel platzierten Videos sind eine Auswahl. In allen geführten Gesprächen wurden ähnliche Überlegungen geäussert.