Simon Spengler hofft auf eine Änderungen der Statuten der Zürcher Kantonalkirche Foto: zVg

Zürcher Kantonalkirche will Missio und Privatleben entkoppeln

Seelsorgende, deren Privatleben nicht der katholischen Sexuallehre entspricht, werden diskriminiert. Ein Vorstoss in Zürich will dies ändern. Eine entsprechende Motion sei in Arbeit, sagt Sprecher Simon Spengler. Ein Hintergrundbericht.

 

Sylvia Stam

Im Dezember 23 hat Monika Zimmerli eine Motion in der Zürcher Synode eingereicht. Was möchte sie genau?

Simon Spengler: Wenn Seelsorgende im Konkubinat oder in homosexueller Beziehung leben, droht ihnen heute potenziell der Entzug der Missio. Wenn der Bischof die Missio entzieht, ist nach geltender Anstellungsordnung im Kanton Zürich die Kantonalkirche bzw. die Kirchgemeinde verpflichtet, das Anstellungsverhältnis sofort zu beenden. Seelsorgende sollen ihre Anstellung nicht mehr verlieren, wenn der Bischof ihnen die Missio entzieht, weil ihr Privatleben nicht kirchenrechtlichen Normen entspricht. Monika Zimmerli will den Paragraf 14.2 dahingehend ändern. Ausgenommen sind Seelsorgende, die sich zum Zölibat verpflichtet haben, also Priester. 

Wo steht die Motion aktuell?

Simon Spengler*: Die Motion wurde mit grosser Mehrheit überwiesen. Nun muss der Synodalrat, die Exekutive, eine Vorlage verfassen. Eine Arbeitsgruppe ist in diesen Wochen daran, diesen auszuarbeiten. Im Laufe dieses Jahres wird der Entwurf in der Synode diskutiert werden. Der Synodalrat kann die Motion auch ablehnen. Dann kann die Synode selber einen Gesetzesentwurf formulieren.  

Angenommen, der Passus in der Anstellungsordnung wird im Sinne der Motion Zimmerli verändert. Was bedeutet das konkret? Die Körperschaft kann ja nicht das Kirchenrecht ändern. 

Simon Spengler: Wenn der Bischof die Missio eines Seelsorgers oder einer Seelsorgerin aufgrund ihres Privatlebens entziehen würde, müsste die Kantonalkirche oder die Kirchgemeinde eine andere Form der Anstellung organisieren. Eine Anstellung als Seelsorger:in ohne Missio wäre nicht möglich. Es gibt aber viele Stellen, für die es keine Missio braucht. 

Nehmen wir an, es geht um eine Gemeindeleiterin. In dieser Funktion könnte sie ohne Missio nicht weiter tätig sein. 

Simon Spengler: Das ist tatsächlich eine knifflige Frage. Ein:e Gemeindeleiter:in ohne Missio ist systemfremd.  Aber da muss man kreativ werden und sich Alternativen überlegen. 

Häufiger als der Missio-Entzug dürften Fälle sein, in denen die Missio gar nicht erteilt wird. Erfährt eine anstellende Kirchgemeinde, aus welchen Gründen eine Missio nicht erteilt wurde?

Simon Spengler: Es darf nicht vom Goodwill des Bischofs oder des Generalvikars abhängig sein, ob transparent informiert wird, es muss ein Recht darauf geben. Aber es gilt natürlich auch die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person zu respektieren. Da kann es Interessenskonflikte geben, die für beide Seiten nicht einfach zu lösen sind. Ich kann mir durchaus auch Fälle vorstellen, wo der Bischof aus gutem Grund nicht alles sagen kann, was er weiss. Hier kommt dann auch der Verhaltenskodex des Bistums Chur ins Spiel. Dieser besagt ganz klar, dass bei Anstellungsgesprächen nicht nach den privaten Lebensverhältnissen gefragt werden darf. Der Verhaltenskodex ist integraler Teil unserer Anstellungsordnung der katholischen Kirche im Kanton Zürich, er wurde auch vom Bischof unterzeichnet. 

Wenn der Bischof trotzdem danach fragt, könnte der/die Kandidat:in diesen Verstoss gegen den Verhaltenskodex irgendwo einklagen? Oder dürfte er oder sie, analog zur weltlichen Gesetzgebung, lügen?

Simon Spengler: Grundsätzlich ist der Kodex für alle Seiten verbindlich. Welche Möglichkeiten für die praktische Umsetzung bestehen, das muss die Praxis zeigen. Der Wille der Motion Zimmerli ist jedoch, dass es gar nicht so weit kommen kannEs soll von Anfang an klar sein: Privatleben ist privat und soll privat bleiben. Was natürlich einen kirchlichen Vorgesetzten nicht daran hindern kann, einen anderen Kündigungsgrund zu suchen bzw einen Grund zur Verweigerung der Missio. Und was die Frage nach der Lüge betrifft: Von mir aus gern! Aber das muss jeder und jede mit dem eigenen Gewissen abmachen. Es ist ja auch moralisch höchst verwerflich, Menschen in Loyalitätskonflikte zu stürzen bzw zur Leugnung ihrer Identität zu drängen.

Eine Umfrage des Kantons Zürich unter katholischen Kirchgemeinden hat letzte Woche Verbesserungspotential bei der Personalführung aufgezeigt. Inwiefern betrifft das auch die Missio-Frage? 

Simon Spengler: Die Mehrheit der Kirchgemeinden fordert hier mehr Transparenz. Also zum Beispiel, dass sie Einblick in die Dossiers sämtlicher Personen haben, die sich bewerben. Also auch von Personen, die der Bischof ablehnt. Hier möchten sie eine Begründung hören. Es gibt eine Minderheit, die findet, sie müssten das gar nicht wissen. Der Synodalrat betont, für die Anstellungsbehörden müssen die Mittel und Möglichkeiten garantiert sein, damit sie ihre Verantwortung auch wahrnehmen können. 

Führt der Kanton Zürich die Diskussion um Missio und Privatleben alleine oder sind andere Landeskirchen im Boot? 

Simon Spengler: Diese Diskussionen werden auch in anderen Landeskirchen geführt.

Virulent ist das Thema nur in der Landeskirche Luzern.

Simon Spengler: Juristisch muss jede Landeskirche in Rahmen ihrer eigenen Anstellungsordnung eine Lösung finden. Die anderen Landeskirchen, zumindest die Spitzen, wissen aber voneinander, was läuft. Die RKZ hat die Forderung der Entkopplung von Missio und Privatleben ebenfalls klar geäussert. Dieses Problem müssen die Landeskirchen gemeinsam mit den Bischöfen lösen. Das kann nicht dauernd in so einem Schwebezustand bleiben. 

Es ist denkbar, dass es eine Signalwirkung hat, wenn die Kantonalkirche Zürich im Sinne Zimmerlis entscheidet. Aus ihrer Sicht ist das auch wünschbar, sie und auch die Mehrheit der Synodalen möchten durchaus ein Zeichen setzen.  

Trauen Sie Joseph Bonnemain zu, dass er im Sinne der Motion einlenken wird?

Inshallah («So Gott will»).In Deutschland haben die Bischöfe ja auch eine eindeutige Lösung im kirchlichen Arbeitsrecht gefunden. Wenn sie das dort können, warum soll es in der Schweiz nicht gehen?  Aber es gibt natürlich auch Kirchgemeinden, die Angst vor finanziellen Konsequenzen haben, wenn sie - überspitzt formuliert - die bisherige Seelsorgerin plötzlich zu gleichem Lohn als Gärtnerin einstellen müssen. Sie hätten doch kein Geld, um eine neue Anstellung zu garantieren. 

Weil die Motion das kirchenrechtliche Problem letztlich nicht löst. 

Das Kirchenrecht kann die Körperschaft nicht ändern. Aber eine so grosse Körperschaft wie Zürich müsste fähig sein, Lösungen zu finden, die sowohl für die Seelsorgerin oder den Seelsorger als auch für die Kirchgemeinde akzeptabel und finanziell tragbar sind. 

*Simon Spengler ist Leiter Kommunikation in der Katholischen Kirche im Kanton Zürich